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Facebook war gestern: neue Medienplattformen

Der Medienbranche wird zum Teil immer noch nachgesagt, dass sie den Sprung auf das digitale Zeitalter mit nur mäßigem Erfolg gemeistert hat. Schwierigkeiten kommen zum einen aus fehlenden Online-Implementierungen und zum anderen durch die Problematik der User-Mentalität im Internet. Im Gespräch mit Alina Fichter von der Deutschen Welle (DW) werden mögliche neue Plattformen besprochen, welche eine mögliche Lösung für das Dilemma sein können.

Ein Gastbeitrag von Christian Kalis

Der Finger berührt den Knopf. Durch das Hineindrücken wird ein Signal an die Hauptplatine gesendet. Lüfter beginnen sich zu drehen. Das System fährt langsam hoch. Der Rechner ist an. Noch ein Klick an den Bildschirm zum Aufleuchten des Logos. Gewohnheit machts. Jetzt noch schnell einen Kaffee holen und dann beginnt der Tag. So oder ähnlich geht es vielen Deutschen vor allem in Zeiten von Homeoffice und digitaler Lehre. 

Alina Fichtner, derzeit angestellt bei dem Nachrichtenportal Deutsche Welle (DW), macht sich in ihrem Arbeitstag Gedanken darüber, wie diese Menschen besser erreicht werden können. Ziel ist es, neue Formate und Wege zu ermitteln, die neue und alte Nachrichtenleser:innen begeistern können. Eine Idee, an der sie gerade arbeitet, erklärt sie im Interview: „Wir arbeiten gerade noch an einem Livestream für eine breite Zuschauerschaft, den wir auf Twitch aufbauen wollen. Dieser ist jedoch noch nicht online, da wir uns noch in der Prototypenphase befinden“. 

Twitch als Erfolgsbeispiel

Die online Plattform Twitch entstand 2011 aus der 24-Stunden Live-Übertragung von Justin.tv einem Kanal, den Justin Kann und der heutige Twitch-CEO Emmet Shear 2006 gegründet haben, um das Leben von Justin Kan mit der ganzen Welt zu teilen. Das Interesse der Zuschauer vor allem an Let ́s Plays und dem E-Sport Bereich brachte die beiden dazu, die Gamingübertragung auszulagern und auch für andere Content-Creator zur Verfügung zu stellen. Der Erfolg der Plattform sorgte dafür, dass im Jahr 2014 Amazon den die Webseite für 970 Millionen Euro übernimmt und auch die Konkurrenz sieht den Erfolg dieses neuen Unterhaltungsformates. 2015 startet YouTube unter Microsoft seinen eigenen Live-Gaming-Kanal und auch andere versuchen sich den neu eröffneten Markt anzueignen. Doch bis heute ist Twitch die Nummer eins der Live-Streaming-Anbieter.

Nicht nur Zielgruppe gewinnen, sondern auch zurückgewinnen

Bild: Pexels.

Warmer Dampf steigt aus der Kaffeetasse auf. Auf dem Bildschirm flackern Tabellen und Auswertungen. Eine Benachrichtigung leuchtet am rechten Eck auf. „Erinnerung: Zoom-Meeting in 10 Minuten.“ Viele Deutsche haben sich an ihren Home-Office-Alltag gewöhnt. Alles geht von zu Hause aus. Noch ein schneller Blick auf das Smartphone und los gehts. Der Blick bleibt länger als gewollt am mobilen Bildschirm hängen. Eine Pop-up Nachricht lenkt die Aufmerksamkeit weg vom PC, wieder ran ans Handy. 

„Was bringt die Menschen eigentlich dazu, live ein journalistisches Angebot zu nutzen? Das ist noch eine ungelöste Frage. Es gibt zwar ein paar einzelne Medienanstalten, die damit experimentieren, aber so richtig gelöst ist die Frage noch nicht.“, erklärt Fichter. Viel Medien, Marken und Unternehmen sehen in Twitch immer noch den Gaming-Kanal für Nerds. Dabei besitzt Twitch täglich über 30 Millionen aufrufe und ist damit auf Platz 44 im Alexa Rank Monatstrend, einem Onlinedienst, der Daten über Seitenabrufe auf Webseiten sammelt und auswertet. Twitch liegt nach diesem Ranking nur zwei Plätze hinter Twitter, welches Platz 42 belegt. Allein im Jahr 2019 wurde laut eigener Zahlen von Twitch, 660 Milliarden Minuten Live-Streamer:innen zugesehen. Durchschnittlich senden 50.000 Kanäle kontinuierlich Inhalte über die Server.

Die Zeiten des reinen Gaming-Kanals sind schon lange vorbei. Die Kategorie: „just Chatting“ hat 18 Millionen Follower und ist seit Mai 2021 auch in Nachrichtenwelt abseits von Gaming bekannt. Für Aufmerksamkeit hat die Kontroverse geführt, als Streamer:innen sich leicht bekleidet in Planschbecken ihrer Community zeigten. Diese sorgte jedoch auch für eine steigende Nutzerzahl von Besuchern, die wenig mit Computerspielen am Hut haben. Gleichzeitig nutzen immer mehr Content-Creator Twitch für ihre Q&A-Streams und auch das Infotainment erhielt eine eigene Kategorie auf der Webseite. Alina Fichter erklärt: „Selbst unsere News-Abteilung findet das interessant und vielleicht können wir Teile unsere Erkenntnisse stärker in unseren Livestream einarbeiten.“

Nachrichten am besten umsonst, aber nicht kostenlos

Die Maus wandert über das rote X. Das Fenster schließt sich. Wieder ein Meeting geschafft. Aus der Küche hört man bereits das Mahlen der Kaffeemaschine für die nächste Stärkung. Nach einer kurzen Genusspause geht es auch mal an die frische Luft. Die von jener Sorte, die mehr Zeit vor dem Bildschirm verbringen als mit etwas anderem. Gemeinsam haben jene, die viel am Computer arbeiten und diejenigen, welche eher selten am PC sitzen, das Interesse an den täglichen Nachrichten und Informationen über die Geschehnisse der Welt. Diese werden zumeist per Newsticker oder anderen Online-Medien-Tools konsumiert. Die Medienhäuser sind hierbei stets den User:innen gefolgt.

Egal welches soziale Netzwerk betrachtet wird, alle etablierten Medienhäuser sind vertreten. Nur auf Twitch bleibt dies noch aus. Dabei bietet gerade bei der großen Frage der Kostendeckung Twitch eine kreative Lösung. Die Benutzer:innen möchten tägliche über ihre favorisierten Nachrichten upgedatet werden. Dies soll möglichst kostenlos passieren. Viel Medienhäuser haben verschiedene Systeme etabliert. Am stärksten ist hierbei das Abo-Model vertreten und die Möglichkeit, Artikel kostenlos mit Werbung zu lesen. Twitch hat durch die Kooperation mit Amazon ein ganz eigenes System. Durch die Verlinkung des Twitch-Accounts mit dem eigenen Amazon-Konto ermöglicht das Verschenken einer „Subskription“ für den bevorzugten Streamer:in, welches eigentlich kostenpflichtig zu erwerben ist.

Videoformate, so weit das Auge reicht

Alternativ zu Twitch werden Instagram und vor allem TikTok diskutiert. Gerade TikTok steht als neues Medium der Jugend ganz oben auf der Liste. Ähnlich wie Twitch verwendet es das Videoformat. Jedoch im kurzen „Story“-Format. Wobei auch hier Livestreams der Content-Creator:innen nicht unüblich sind. Dadurch entsteht eine mögliche Schnittstelle zwischen den Livestreams von Twitch und anderen Sozial-Media-Plattformen, wie TikTok. Die ARD ist hier bereits aktiv geworden. Nach eigenen Angaben will die Tagesschau „auch neben journalistischen Inhalten für eine junge Zielgruppe einen humorvollen Blick hinter die Kulissen der erfolgreichen TV-Nachrichtensendung“, liefern. Das Jugendangebot Funk der ARD ist schon lange dabei, genauso wie die Washington Post.

TikTok selbst steht zwar in der Kritik, wenn es um Themen wie Datenschutz und Berichterstattung aus China geht, trotzdem ist die Tendenz zu Online-Video-Formaten der Medienhäuser interessant. Grund hierfür könnten zum einen der sich immer stärkere Wandel zu Online-TV und weg vom herkömmlichen Fernsehen sein und zum anderen ist der oben bereits erwähnte digitale Wandel der Medienhäuser ausschlaggebend. Alina Fichter sieht die Problematik in den Ansprüchen der Medienhäuser: „Eine Herausforderung ist die Erwartungshaltung der Anwender:innen. Auf der einen Seite möchte man etwas haben in dem Bereich, dass man sich ausprobiert und auf der anderen Seite möchte man dann sofort, dass alles wahnsinnig erfolgreich ist und eine enorme Reichweite erzielt“. Diesen Wunschtraum vom erfolgreichen Boom auf neuen Plattformen haben nicht nur Medienhäuser, sondern viele Unternehmen und nur wenigen gelingt eine erfolgreiche Umsetzung.

Neue Plattformen für neue Zielgruppen

Bild: Pexels.

Gerade das Erreichen und Halten von neuen, in diesem Fall auch jüngeren Zielgruppen, ist eine facettenreiche Aufgabe. Neue Trends zu erkennen und zu adaptieren, ist das Kernelement für den Erfolg. Dies benötigt ein andauerndes Beobachten von globalen Trends und der Selektierung von bereits bestehenden Inhalten, was wiederum Fachkräfte in diesem Bereich erfordert, um eine der Herausforderungen zu beschreiben.

Wie ein Schatten zieht der Sekundenzeiger an der Zwölf vorbei. Feierabend. Eine letzte Sicherheitskopie des Workflows und endlich wird sich der Entspannung gewidmet. Der Browser wird geöffnet und die favorisierte Webseite geladen. Endlich nicht mehr an die Arbeit denken, sondern den bevorzugten Content-Creator:innen lauschen. Hier kommt die erwähnte Herausforderung ins Spiel. Die Zielgruppe ist zwar über die beschriebenen Medien erreichbar, doch vielleicht möchte sie auf diese Plattformen gar keinen informativen Content. Selbst die Smartphone-Generation legt mal ihr Handy weg und möchte einfach nur die Seele baumeln lassen. Dies ist ein Punkt, den die Medienhäuser berücksichtigen müssen, wenn sie den Sprung auf die bislang noch wenig genutzten Plattformen, wie Twitch oder Tiktok erfolgreich meistern wollen.

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