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Tagesschau auf TikTok: Wie die Nachrichtenmarke bei Teenagern erfolgreich wurde

Patrick Weinhold ist seit 2016 strategisch und inhaltlich für den Social Media-Auftritt der Tagesschau verantwortlich. Unter seiner Führung wurde deren TikTok-Account im letzten Jahr bei den “Goldenen Bloggern” ausgezeichnet. Im Interview spricht Weinhold über die Strategie hinter den Social Media-Kanälen des Nachrichtenmediums .

Ein Gastbeitrag von Julia Schneider

Patrick Weinhold ist Head of Social Media bei der Tagesschau. (Foto: Weinhold)

Wie unterscheiden sich die Strategien bzw. Konzepte der unterschiedlichen Kanäle?

Weinhold: Die Strategien sind auf allen Plattformen ziemlich ähnlich. Die Marke Tagesschau möchte auf allen Plattformen mit der Verbreitung von Nachrichten vertreten sein. Die Postingstrategien unterscheiden sich im Einzelnen ein klein wenig. Bei Twitter geht es darum schnell zu sein. Auf diesem Kanal sind Links zu unserer Website zu finden. So möchten wir Nachrichten schnell in den Diskurs bringen. Twitter ist ein sehr aktuelles Medium. Bei Instagram und Facebook kann es durch den Algorithmus passieren, dass ein Post, den wir heute online stellen, bei unseren Usern erst einen Tag später angezeigt wird. Auf diesen zwei Kanälen ist also der Aktualitätsdruck nicht so hoch.

Einzelne Netzwerke bringen unterschiedliche Möglichkeiten mit sich. Wir arbeiten nicht in einzelnen Teams für unsere verschiedenen Kanäle, sondern in einer gemeinsamen Social Media-Redaktion. Die inhaltliche Priorität liegt auf Instagram, bei der Erstellung von Bildern, Videos und so weiter. Das heißt unsere Redaktion spielt den Content von Instagram dann auch bei Facebook aus. Wir nutzen also den Dual-Use-Ansatz für die Ausspielung unseres Contents.

Teenager an Nachrichten heranführen

Wie sieht die Zielgruppe der Social-Media-Kanäle der Tagesschau aus?

Weinhold: Wir wollen neue Menschen für Nachrichten interessieren. Dabei liegt der Fokus unserer Social-Media-Redaktion vor allem auf jungen Menschen. Im Fernsehen, in der Tagesschau um 20 Uhr, erreichen wir mittlerweile ein Durchschnittsalter von 64 Jahren. Auf der Homepage und in der Tagesschau App liegt das Durchschnittsalter bei rund 45 Jahren. Unser aktiver Auftrag als Social-Media-Redaktion ist es also, junge Menschen zu erreichen. Bei Instagram liegt die größte Nutzungsgruppe bei einem Alter von 24 Jahren, bei Facebook und YouTube bei einem Alter von 34 Jahren und bei TikTok bei einem Alter zwischen 13 und 17 Jahren. Wir möchten also nicht unbedingt einen weiteren Service für unsere Nutzer bieten, sondern aktiv junge Menschen mit Nachrichten erreichen.

Dabei ist es wichtig im Hinterkopf zu behalten, dass Teenager von 13 bis 17 Jahren einfach keine Nachrichtenjunkies sind. Diese müssen also erst noch an die Nutzung von Nachrichten herangeführt werden, wir müssen eine Verbindung zu ihnen herstellen. Also möchten wir ein Stück weit auch eine Markenbindung herstellen. Das heißt für uns aber keine direkte Generierung von Klicks auf unsere Website. Wir möchten das Produkt Tagesschau auch auf Social-Media anbieten, um in Kontakt zu bleiben und um Interaktion herzustellen. Wir verfolgen also eine Offsite- und keine Conversion-Strategie. Die Menschen sollen dort informiert werden, wo sie unterwegs sind.

Junge Menschen effektiv erreichen

Wie sieht die Auswahl der Kanäle aus, auf welchen Sie aktiv posten?

Weinhold: Das Ziel ist es ja Menschen, die auf Social-Media-Kanälen unterwegs sind, mit Nachrichten zu versorgen. Die Kanäle suchen wir uns nach der Wichtigkeit derer aus. Welche sind aktuell? Welche Kanäle haben welche Nutzungsgröße? Wir schauen uns also einfach an, welche Menschen wir mit den regulären Produkten nicht erreichen können und schauen dann wo beispielsweise junge Menschen unterwegs sind. Aus der großen Wahl aller Netzwerke der jungen Menschen suchen wir uns dann die größten heraus, welche uns am effektivsten zu unserem Ziel bringen.

Bewährungsprobe für TikTok

Wie sind Sie auf die Idee eines Auftritts auf TikTok gekommen? Wie sieht der Arbeitsprozess hinter der Bespielung des Kanals aus?

Weinhold: Wir haben TikTok als Projekt gestartet, da dieser Kanal ein großes Gesprächsthema unter jungen Kolleg*innen war, die diesen selbst nutzen. Nachdem das Thema immer und immer wieder angesprochen wurde, haben wir uns dazu entschiedene eine Nutzeranalyse, also eine Art Marktforschung in Auftrag zu geben. So konnten wir herausfinden, wer da unterwegs ist, wie groß der Kanal ist, wer auf dieser Plattform Content ausspielt und vieles mehr. Das Projekt lief dann circa ein halbes Jahr. Am Ende haben wir uns dann die Frage gestellt, ob das Netzwerk für uns eine Erschließungsplattform ist oder eben nicht. Nachdem wir aus verschiedenen Richtungen grünes Licht erhielten, haben wir dann offiziell mit TikTok gestartet.

Mehr als 700.000 Follower hat der TikTok-Kanal der Tagesschau Anfang des Jahres. (Screenshot: Schneider)

TikTok ist ein ganz besonderes Format im Vergleich zu Instagram und Facebook. Auf dieser App sind nur vertikale Videos zu finden. Der Kanal lebt von schnellen Videos und kurzen Schnitten. Über diese App lassen sich Menschen über das Smartphone nahebringen. Für TikTok mussten wir neue Formate entwickeln, da diese von den anderen Ausspielwegen abweichen. Auf unserem TikTok-Kanal ist auch nicht die Masse an Nachrichten zu finden. Wir können über diesen Kanal mit unseren durchaus sehr jungen Usern in Interaktion treten.

Seit Sommer 2020 gehört das Projektteam, welches sich um TikTok kümmert, nun auch offiziell zu unserer Social-Media-Redaktion. So stellen sich jetzt auch die Fragen, wo und wie wir unsere für TikTok produzierten Videos noch ausspielen können. Da die Videos jedoch in Bezug auf die Sprache und Verständlichkeit aktiv auf Schüler angepasst sind, müssen viele Anpassungen vorgenommen werden, um diese dann auch auf Instagram zu posten, auf welchem die Zielgruppe einfach schon etwas älter ist. Dort funktioniert unser Dual-Use-Ansatz also nicht so einfach. Wir sind momentan auf der Suche nach einem Weg diese Produkte nicht neu produzieren zu müssen, sondern auf einem gewissen Weg gleich ausspielen zu können.

Social Media: Instrument zur Markenbindung

Wie sehen Sie die Aussage, dass jedes Medium auf jedem Kanal präsent sein sollte?

Weinhold: Allgemein ist das nicht zu beurteilen. Nicht jedes Medium muss und kann jede Zielgruppe erreichen. Die Tagesschau hat als öffentlich-rechtliches Medium eine Aufgabe zu erbringen. Private Medienhäuser müssen Geld verdienen. Junge Menschen gehören dort oft nicht aktiv zur Werbegruppe. Da geht es zuerst einmal eher um die Markenwahrnehmung und dann im zweiten Schritt um die Markenbindung. Mit einer guten Social-Media-Strategie geht dies relativ einfach und ressourcenarm. Ein gutes Beispiel hierfür auf TikTok ist “Herr Anwalt”. Niemand kannte ihn und heute hat er ein Millionen-Publikum und ist wohl der größte deutsche Jurist im Social-Web. Er hat sich am Anfang ein paar Gedanken gemacht, nicht viele Ressourcen investiert und erreicht heute sehr viele Menschen.

Eine Medienmarke muss in der Regel Geld verdienen. Sie sollte sich bei der Markenwahrnehmung und auch Markenbindung nicht ausruhen, sondern den Mut haben, schon früh aktiv auf junge Menschen zuzugehen und diese an die eigene Marke zu binden. Somit hat auch die Redaktion intern die Chance auf eine bessere oder gute Personalentwicklung. Medienhäuser können so die Redaktionen in der Republik für junge Menschen als späteren Arbeitsplatz spannend machen.

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