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RUMS – Lokaljournalismus im Newsletterformat

Dreimal in der Woche versendet RUMS Briefe an alle Leser. Diese Briefe landen aber nicht im Briefkasten, sondern im E-Mail-Postfach der Abonnent:innen. Ein Newsletter als Alternative zur Regionalzeitung in Münster – das hat sich das RUMS-Team zur Aufgabe gemacht. Projekt-Manager Marc-Stefan Andres spricht im Interview über RUMS und das Format Newsletter im Lokaljournalismus.

Ein Interview von Tina Anlauf & Lilly Fröbel

Aus welchem Grundhaben Sie RUMS gestartet?

Andres: In Münster gibt es eigentlich nur noch eine Zeitung. Also es gibt zwei Zeitungen. Beide gehören aber zum selben Verlag. Es gibt ein Lokalradio, das in Teilen auch zu dem Verlag gehört. Wir haben in der Stadt also eine sehr einseitige Presselandschaft. Diese Beobachtung habe natürlich nicht nur ich gemacht. Es kam aus verschiedenen Ecken zusammen: Eigentlich fehlt in Münster ein zweites Medium – eine zweite Stimme. Und da haben wir angefangen zu überlegen, wie man das machen könnten.

Wieso ein Newsletter?

Andres: Den hundertsten Blog ins Web zu stellen, wo kein Mensch hinguckt – das kann nicht der richtige Weg sein. Wenn du ein Projekt machst, das in irgendeiner Art wie ein Blog funktioniert, dann machst du das immer nach Feierabend. Du verdienst damit kein Geld.

“Aber Journalismus muss Geld verdienen, damit er vernünftig funktioniert.”

Wir haben dutzende Studien aus aller Welt gelesen in denen es darum geht, wie man im Journalismus heute Menschen erreicht. Und die Essenz daraus war: Wir brauchen eine uns wohlgesonnene Zielgruppe, die Geld dafür bezahlt, dass wir ihnen zwei oder dreimal in der Woche eine E-Mail schreiben, in der wir die wichtigsten Dinge aus der Stadt aufbereiten. Und das nicht nur einfach zusammenfassend, sondern kommentierend, wertend und analysierend. Daraus ist unser sogenannter Brief entstanden.

Und dann konnte RUMS starten?

Andres: Eigentlich hatten wir geplant erst im Herbst 2020 auf den Markt zu kommen. Im April sollte eine große Kampagne starten. Da wollten wir richtig viel unseres Startkapitals reinstecken, um erstmal möglichst viele Leute dazu zu bewegen uns kostenfrei zu abonnieren und dann irgendwann in kostenpflichtige Abonnenten zu konvertieren. Uns hat dann Corona einen Strich durch die Rechnung gemacht. Wir konnten nirgendwo unser Produkt vorstellen. Weder in Kneipen oder Cafés noch auf den Märkten. Dann gab es zwei Möglichkeiten: 1. Wir verschieben den Startzeitpunkt auf „wenn Corona vorbei ist“ oder 2. Wir gehen jetzt an den Start. Und das haben wir auch gemacht. Innerhalb von zwei Wochen haben wir das System fertig gemacht und sind Ende März 2020 an den Start gegangen.

Rums logo
Logo: RUMS

Auch Newsletter-Redakteur:innen müssen bezahlt werden

Wie funktioniert die Finanzierung?

Andres: Die ersten Monate waren wir kostenfrei. In dieser Zeit hatten wir 3400 Abonnent:innen. Im September 2020 sind wir dann zu einem Bezahlmodell konvertiert und haben bei der Umstellung direkt 900 Menschen mitgezogen. Also 900 Leser:innen haben dann für RUMS bezahlt. Wir sind komplett werbefrei und finanzieren uns ausschließlich über Abonnements. Unsere Abonnent:innen können aus verschiedenen Preisklassen wählen. Der Leistungsumfang bleibt dabei immer gleich. Der Standardtarif liegt bei 8 € im Monat. Wer möchte, kann uns mit bis zu 40 € pro Monat unterstützen.

Wie wird das technisch umgesetzt?

Andres: Angefangen haben wir einfach mit einem Mailchimp-Account. Das ist ein ziemlich bekanntes browserbasiertes Programm zum Versenden von Newslettern. Mithilfe des Tools kannst du dir deinen Newsletter so zusammenbauen wie es dir gefällt. Der Leser trägt sich mit seinem Namen und seiner E-Mail-Adresse ein und das System verschickt die E-Mails ganz automatisch. Der nächste Schritt war, dass wir eine WordPress-Seite gebaut haben – unsere Homepage. Als drittes kam ein Payment-System dazu. Und dann mussten wir diese drei Komponenten verbinden. Wir haben einen Programmierer beauftragt, der die drei Systeme zusammengekoppelt hat, sodass man sich mittlerweile auf der Website anmeldet, dort ein Abonnement hinter einer Bezahlschranke abschließen kann und anschließend die Newsletter bekommt. Zusätzlich können die Leser auch alle Newsletter auf der Website abrufen. In unser System ist wahnsinnig viel Zeit und Arbeit geflossen. Aus diesem Grund möchten wir dieses irgendwann auch anderen Interessierten anbieten, die ähnliche Projekte umsetzen möchten.

“Für die eigene Stadt interessieren sich schließlich die meisten Menschen.”

Wer hat RUMS abonniert?

Andres: Die grobe Zielgruppe ist zwischen 30 und 60 Jahren und lebt natürlich in Münster. Unter 30 und über 60 Jahre alt sind jeweils circa 10% unserer Abonnent:innen. Davon abgesehen kann man die Zielgruppe schwer weiter eingrenzen. Für die eigene Stadt interessieren sich schließlich die meisten Menschen – ganz unabhängig von Beruf, Einkommen oder Bildungsgrad.

Wie schreibt man für einen Newsletter?

Andres: Wir wollen Journalismus nicht mehr so machen, wie man früher gedacht hat, dass Journalismus funktioniert. Nämlich rein sachlich verschiedene Leute zu Wort kommen zu lassen, das hintereinander zu packen und die Leser:innen erschließen sich dadurch die Botschaft. Wir sind viel mehr der Meinung, dass Journalist:innen nicht objektiv sein können. Daher versuchen wir zwar nicht zu beurteilen, im Sinne von richtig oder falsch, aber dennoch sehr genau hinzugucken und zu kommentieren. Immer so offen, dass die Leser verstehen, dass sie sich selbst eine Meinung bilden können und diese auch von unserer abweichen darf.

Zeigen, wer seine Sache auch gut macht

Ist es in einem Newsletter einfacher transparent zu kommunizieren als beispielsweisein der klassischen Tageszeitung?

Andres: In unseren E-Mails sind manchmal 30 Links zu externen Quellen. Das heißt, wir wollen sogar, dass die Leute nicht nur bei uns bleiben. Manchmal verlinken wir schon im ersten Absatz auf unsere Tageszeitung in Münster oder eine Pressemitteilung der Stadt. Wir versuchen zu zeigen, dass auch andere wirklich gute Arbeit machen. Zusätzlich kommunizieren wir ganz offen, wer wir sind und was wir machen. Das hilft den Leser:innen einzuordnen, woher Haltungen oder Meinungen kommen. Gerade bei unseren Kolumnist:innen ist das wichtig.

Wie hoch ist die Öffnungsrate der E-Mails?

Andres: Als wir noch kostenfrei waren, lagen wir bei ungefähr 45%. Seit wir kostenpflichtig sind, liegt die Öffnungsrate bei 70%. Das ist recht hoch, auch wenn die Zahl allein natürlich nicht aussagekräftig ist. Ich glaube aber schon, dass uns viele Leute lesen. Gerade, weil wir ziemlich viele Antworten von unseren Leser:innen bekommen. Jeden Monat sind das ungefähr 100 E-Mails. Sie stellen Fragen, kritisieren, bewerten, ergänzen und loben. Wir bekommen richtig viele Antworten und beantworten auch alle. Das ist extrem viel Arbeit, aber das versuchen wir trotzdem.

Community einer der wichtigsten Aspekte

Ist diese persönliche Kommunikation mit den Lesern eine Besonderheit am Format des Newsletters?

Andres: Persönliche Kommunikation hast du mittlerweile überall im Journalismus. Community-Building und -Pflege ist heute einer der wichtigsten Aspekte. Bei uns fängt das schon damit an, dass sich die Leser:innen ganz bewusst dafür entscheiden, unser Angebot zu nutzen. Sie zahlen Geld und bekommen einen Brief. Dabei sprechen wir alle Leser:innen persönlich an. Jeder Brief beginnt mit „Guten Tag [Name der Abonnent:innen]“ und endet zum Beispiel mit „Herzliche Grüße Ihr [Name der Redakteur:in]“. Dadurch haben wir ein ganz anderes Antwortverhalten als beispielsweise auf Social Media. Solange du ein persönliches Verhältnis zu deinen Leser:innen hast, ist auch die Kommunikation konstruktiv.

Worauf sollte man noch achten?

Andres: Über Programme zum Newsletter-Versand kann man ziemlich genau tracken,was die Leser machen. Wie viele Leute die Mail öffnen oder welche Links besonders häufig geklickt werden. Anhand dessen kann man recht gut ableiten, welche Inhalte und Themen funktionieren. Das sind manchmal ganz banale Dinge. Als die Friseure geschlossen waren, hatten wir einen Link zu einem Tutorial wie man sich die Haare selbst schneidet. Darauf haben um die 500 Leute geklickt.


Welche Rolle nehmen journalistische Newsletter zukünftig ein? Können redaktionelle Newsletter ein zukunftsfähiges journalistisches Format darstellen?

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