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„Innovation hat auch etwas mit kreativer Zerstörung zu tun.“

Milena Merten ist Redaktionsleiterin des Digitalmagazins „ada“, welches Themen rund um neue Technologien und Innovationen im Zusammenspiel mit der Gesellschaft behandelt. Im Interview spricht Milena Merten über die Chancen der Digitalisierung und welche Wünsche sie für die Zukunft des Journalismus hat.

Ein Beitrag von Alper Dinc und Kim Heuck

Anm. d. Red.: Das Interview wurde im Mai 2021 aufgenommen.

Was bedeutet die Abkürzung „ada“?

Milena Merten ist Redaktionsleiterin des Digitalmagazins „ada“. Sie ist seit dessen Gründung 2018 Teil des Teams und entwickelt Inhalte für das Digitalmagazin, den Podcast sowie den Newsletter. Im Mai 2021 wurde das klassische Printmagazin durch ein digitales, kostenloses Outlet abgelöst. (Foto: Spindelndreier)

Milena Merten: Tatsächlich ist es gar keine Abkürzung, sondern ein Name. Wir haben uns nach Ada Lovelace, der ersten Programmiererin der Geschichte, benannt. Ada hat im 19. Jahrhundert an der ersten Rechenmaschine gearbeitet. Diese war Vorläufer des modernen Computers. Ada hat schon damals erkannt, dass man mit einer solchen Maschine künftig beispielsweise Texte generieren oder Musik komponieren kann. Damals haben natürlich alle gedacht, sie sei völlig verrückt, weil das noch unvorstellbar war. Wir bewundern Adas Grundhaltung, da sie in einer Zeit, in der Frauen keinen Zugang zu Universitäten hatten, so weitsichtig und mutig war. Ada eignet sich perfekt als Namenspatin. Sie steht für Technologie, Mut und Innovation, genau das, was unser Magazin verkörpert.

Ihr Magazin beschäftigt sich schon immer mit dem Thema „Innovation“. Was bedeutet Innovation für Sie?

Milena Merten: Im Kern hat Innovation immer auch etwas mit kreativer Zerstörung zu tun. Also, dass man Bestehendes hinterfragt und im Zweifel auch durch etwas Neues ersetzt. Was nicht heißen muss, dass man immer alles Alte komplett hinter sich lassen muss. Aber man sollte sich dem Fortschritt zuwenden und überlegen, wie man es vielleicht auch ganz anders machen könnte, wenn man es neu denkt.

Breite Öffentlichkeit statt Nische

Im Mai 2021 haben Sie von einem Print- zu einem Digitalmagazin umgestellt. Was war der Grund hierfür?

Milena Merten: Dafür gab es mehrere Gründe. Zum einen ist es so, dass man die Menschen über ein digitales Outlet besser erreicht. Gerade jetzt in Zeiten von Corona, in denen der gesamte Publikumsverkehr an Bahnhöfen wegfällt. Dies ist kein exklusives Problem von uns, es betrifft alle, die Print-Produkte anbieten. Unser Wunsch ist es, technische Themen nicht nur in einer Nische stattfinden zu lassen, sondern diese an die breite Öffentlichkeit zu bringen. Ich bin davon überzeugt, dass das Fragen sind, die jeden Einzelnen betreffen. Zum anderen bietet uns das Digitalmagazin die Möglichkeit, öfter als viermal im Jahr an aktuellen Debatten teilzuhaben. Dabei wollen wir allerdings auch kein klassisches News-Portal sein. Wir sind mit dem Umstieg auf das Digitalmagazin sehr zufrieden.

Was sehen Sie als das Alleinstellungsmerkmal von „ada“?

Milena Merten: Mehrere Dinge tatsächlich. Eines davon ist, dass wir uns ganz explizit darauf konzentrieren, ethische Fragen und gesellschaftliche Auswirkungen von Technologien darzustellen. Es gibt in Deutschland zwar Tech-Berichterstattung, verglichen mit den USA dann aber doch recht wenig. Das hat auch damit zu tun, dass wir hier nicht die riesengroße Tech-Industrie haben. Uns ist bei der Gründung von „ada“ jedoch aufgefallen, dass es eine Lücke in der Berichterstattung über Technologien gibt: Gesellschaftliche Fragen, die mit Technologien zusammenhängen, sollten aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchtet werden und das machen wir.

Was „ada“ außerdem noch einzigartig macht, ist natürlich der Gedanke der Verbindung von Journalismus und Weiterbildung durch das Fellowship-Programm. Das „ada“-Fellowship ist eine einjährige Lernreise für Zukunftskompetenzen und ein Netzwerk für Austausch, Innovation und Inspiration. In ihrem Jahr mit „ada“ entdecken die Fellows, also die Partner des Programmes, die wichtigsten Zukunftstechnologien, ihre Anwendungspotenziale und Möglichkeiten zum Transfer auf den digitalen Wandel in ihrer Organisation. Das Fellowship ist unser Kerngeschäft und macht uns unabhängiger vom Werbegeschäft. Wir sind davon überzeugt, dass eine reine Werbefinanzierung weder ein zeitgemäßes noch ein wirklich nachhaltiges Modell ist, um Journalismus zu finanzieren. Außerdem sind wir ein von Frauen gegründetes und geführtes Medium, das über Technologien berichtet. Das ist für die Tech-Branche immer noch eher unüblich.

Digitalisierung: Chance zum Hinterfragen

Wo sehen Sie die größten Chancen der Digitalisierung?

Milena Merten: Die Digitalisierung bietet die Chance, vieles zum Besseren zu verändern. Die Bereiche „Zugang“ und „Barrierefreiheit“ werden von der Technologie sehr vorangetrieben und machen Informationen zugänglicher. Unabhängig davon bietet die Digitalisierung außerdem die Chance, viele Dinge zu überdenken, weil sie bestehende Geschäftsmodelle grundsätzlich infrage stellt. Man kann diese Geschäftsmodelle ganz neu aufsetzen und sich in dem Zusammenhang auch überlegen: „Wollen wir eigentlich so weitermachen wie bisher oder liegt darin vielleicht die Chance, mal etwas ganz anderes auszuprobieren?“. Die Digitalisierung bietet sogar für den Klimaschutz viele neue Chancen. Man kann mithilfe von Künstlicher Intelligenz versuchen, Fabriken energieeffizienter zu betreiben.

Mehr Mut für den Journalismus

Welche Wünsche haben Sie persönlich für die Zukunft des Journalismus?

Milena Merten: Ich wünsche dem Journalismus insgesamt mehr Mut und mehr Optimismus. Ich bin mit sehr viel Idealismus und Motivation in den Journalismus eingestiegen. Aber man gerät sehr schnell an Menschen, die behaupten, früher sei der Journalismus noch ein toller Beruf gewesen. Heute gehe alles den Bach runter. Als junger Mensch solle man da gar nicht mehr reingehen. Man verdiene damit kein Geld mehr. Das finanziere sich alles nicht mehr. Die Medien würden sterben und so weiter. Ich glaube nicht, dass diese Behauptungen stimmen.

Man hat nur einfach verschlafen, sich zu überlegen, wie man mit Journalismus im digitalen Zeitalter Geld verdienen kann. Gut aufbereitete Informationen sind heutzutage noch wichtiger als je zuvor. Deshalb braucht es weiterhin guten Journalismus. Dieser tut sich keinen Gefallen damit, junge Leute, die mit Motivation und Veränderungswillen reinkommen, zu vergraulen. Aber so langsam kommt frischer Wind in den Journalismus. Es dauert aber auf jeden Fall noch seine Zeit, denn es ist ein langer Prozess.

Wie sieht die Zukunft von „ada“ aus?

Milena Merten: Unsere Vision ist, Deutschland zu einem Land der Digitalpioniere zu machen. Wir haben das Ziel, eine Aufbruchsstimmung anzuregen und in den neuen Entwicklungen nicht immer nur das Negative zu sehen. Was nicht heißt, dass man über das Negative nicht sprechen sollte. Ganz im Gegenteil! Es wäre für uns ein tolles Ergebnis, das Mindset der Gesellschaft hinsichtlich der Chancen von Technologien zum Positiven zu verändern.

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