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Redaktionelle Newsletter als zukunftsfähiges journalistisches Format?

„Während in den USA die Publisher mit hochwertigen Newsletter-Formaten wie ‘TheSkimm’, ‘Morning Brew’, ‘Quartz’ oder ‘Next Draft’ Erfolge feiern, werden Newsletter hierzulande in der Verlagsbranche oft noch immer als reiner Trafficlieferant betrachtet – mit mehr oder weniger lieblos zusammengestellten kurzen Inhalten als Teaser für den Content auf der Website“. Doch mittlerweile sind Newsletter nicht nur für Werbungstreibende das Mittel der Wahl.

Gastbeitrag von Tina Anlauf & Lilly Fröbel

Immer häufiger erweitert sich das digitale Angebot der deutschen Medienhäuser um das Format eines redaktionellen Newsletters. In welchem Format die Rezipienten am liebsten die Neuigkeiten konsumieren ist eine individuelle Angelegenheit. Bei einem Medium sind sie sich allerdings einig, das Format der Tageszeitung ist längst nicht mehr die attraktivste Wahl. Das Zeitungssterben ist schon lange bekannt, der Journalismus aber keinesfalls totgesagt. Vielmehr stellt es die Redaktionshäuser und Journalist:innen vor die Herausforderung, wie Qualitätsjournalismus in Zukunft beim Leser ankommt. Dabei ist es nicht nur eine Frage des Formats, sondern auch eine Frage der Finanzierung. Medienhäuser wie ‘Tagesspiegel’, ‘Media Pioneer’ oder kleinere StartUps wie ‘Was mit Medien’ oder ‘RUMS’ verschicken Newsletter, um digitale Bezahlkunden zu gewinnen und ihnen im Gegenzug ein hochwertiges Produkt zu liefern.

Wie lange klappt die Koexistenz?


In den meisten Fällen koexistiert das Bezahlformat Newsletter neben der klassischen Tageszeitung und anderen digitalen Angeboten des Medienhauses. Er ist häufig ein kostenloses Tool, um auf Inhalte oder ein Produkt hinzuweisen. Die verschiedenen Angebote unterscheiden sich untereinander. Deshalb stellt sich die Frage, welche Besonderheiten der Newsletter aufweist und wie sich die Rolle von Journalist:innen und Rezipienten dabei verändert? Betrachtet man die Ansprüche der Öffentlichkeit, ist zudem eine zentrale Frage, wie sich dieses Format entwickelt hat und ob es möglicherweise nur ein Trend ist, der morgen schon wieder vorbei sein könnte.

Bisher nur eine Illusion: der FurureCom Newsletter.


Das Thema Newsletter ist für Tageszeitungen kein unbekanntes. Zunächst waren Newsletter für Redaktionen von Zeitungsverlagen ein reines Marketingtool, um Informationen „kurz und meistens relativ automatisiert“ an die Leser:innen zu bringen, mit dem Ziel, die Reichweite auf der eigenen Webseite zu erhöhen. Das erklärt Franziska Bluhm, Digitalstrategin und Expertin für Newsletter. “Mittlerweile sind Newsletter aber viel mehr zu einem journalistischen Produkt geworden. Auch, weil sie nicht mehr nur journalistische Beiträge anteasern, sondern häufig viel mehr Kontext liefern”, so Bluhm.

Wie viel Journalismus steckt im Newsletter?


Für Bluhm zählt auch ein Newsletter, der lediglich eine Zusammenfassung über das in einer Woche berichtete gibt und so dem Nutzer komprimiert präsentiert, als ein journalistisches Angebot. Er transportiert Journalismus und ermöglicht es dem Leser, sich einen Überblick zu verschaffen. Zwar werden hier journalistische Inhalte vermittelt, dennoch zählt er nicht zum Journalismus im klassischen Sinne. Für Bluhm lassen sich journalistische Newsletter als Formate definieren, deren Inhalte spezifisch nur auf dieses Tool zugeschnitten sind. Sie können zwar weiterführende Links enthalten, welche aber nicht zwingend notwendig sind, um als Leser perfekt informiert zu sein. Sie bieten lediglich die Option, sich nach Belieben noch tiefer in ein bestimmtes Thema zu begeben. Journalistische Newsletter bieten demnach dem Leser als alleiniges Medium in sich, einen Mehrwert. Sie können sogar eine Plattform bieten, die sich auf bestimmte Themen spezialisiert, um dort eine tiefergreifende Berichterstattung zu betreiben, als dies in der Tageszeitung möglich wäre. Auf Grundlage dieser Tiefe entwickelten sich journalistische Newsletter, die erfolgreich in einem Bezahlmodell existieren.

“Newsletter sind zu einem journalistischen Format geworden. Statt Beiträge zu teasern, liefern sie viel mehr Kontext.”

– Franziska Bluhm


Bezahlte Newsletter sollen als redaktionelles Angebot dienen und müssen demnach den journalistischen Ansprüchen gerecht werden. Loosen, Reimer und Hölig präsentieren in ihrem Arbeitspapier „Was Journalisten sollen und wollen” die zentralen Anforderungen an den Journalismus des Publikums sowie der Journalisten selbst. Dies sind „[…] Aspekte der Transparenz, d.h. Erläuterungen zur Themenauswahl und zur (Un-)Sicherheit von Quellen; […] mit dem Publikum in einen Dialog über aktuelle Themen zu treten; Menschen die Möglichkeit zu geben, eigene Ansichten zu artikulieren; Lösungsmöglichkeiten aufzuzeigen, wenn über Probleme berichtet wird, positive Ideale zu vermitteln; […] Rat, Orientierung und Hilfestellung für den Alltag zu bieten […]“.

Selektives Lesen: Personalisierung schlägt Sammelsurium


Eine Verbindung zum Leser aufbauen, mit ihm in einen Dialog treten und beratend zur Seite stehen, diesen Anforderungen muss der Journalismus gerecht werden. Die Entwicklung der diversen Social-Media-Plattformen bot den Medienhäusern einen sehr leichten Einstieg, um die Menschen hinter sich und dem Medienhaus als Marke zu versammeln. Jetzt könnte man sagen, die Tageszeitungen haben in Kombination mit ihren digitalen Seiten sowie einem gut betreuten Social-Media-Auftritt die perfekten Maßnahmen an der Hand, um genau diesen Anforderungen gerecht zu werden. Wenn es da nicht den kleinen Fakt gäbe, dass Menschen immer weniger Lust und Zeit haben, die Zeitung zu lesen. Vermutlich weil es zum einen unpraktisch geworden ist, dass die Tageszeitung erst aus dem Briefkasten geholt werden muss und zum anderen stellt sich Bluhm die Frage: „Lesen wir wirklich alles in der Tageszeitung? Oder lesen viele von uns auch in diesem Medium schon selektiv – möglicherweise nur den Sportteil, lesen wir nur den Wirtschaftsteil oder den Politik- und Kulturteil? Ist es vor dem Hintergrund knapper Zeit und Ressourcen nicht eine logische Konsequenz, es dem Leser so einfach wie möglich zu machen und ganz zielgerichtet diese Interessen in einem spezifischen Newsletter abzudecken?“

Wer folgt den erfolreichen Newsletter-Pionieren?


Journalistische Newsletter sind ein gutes Tool, um genau dies zu erreichen. Sie lassen sich dank einer direkten Anrede auf eine persönliche Ebene bringen. Redakteur:innen können mit den Leser:innen direkt in Kontakt treten. Dank der Verlinkung zu anderen Themen, lässt sich zudem eine Transparenz der Quellen sicherstellen und bestimmte Themen in einer gewissen Tiefe bearbeiten.

In Deutschland haben Gabor Steingart mit seinem ‘Morning Briefing’ und Lorenz Maroldt mit dem ‘Tagesspiegel Checkpoint’ nahezu zeitgleich die morgendliche Post vom Redakteur ins Leben gerufen. Diese beiden Formate zeigen deutlich auf, wie gut sich mit journalistischen Newslettern eine Beziehung zu den Nutzern aufbauen lässt. Mittlerweile besitzt der ‘Tagesspiegel’ mit seinen Background-Newslettern zusätzlich ein erfolgreiches Bezahlmodell, dass sich zielgerichtet an Unternehmer, Politiker und Entscheider im Allgemeinen richtet. Auch in Münster verzeichnet das Startup ‘RUMS’, mit seinen Briefen rund um den Lokaljournalismus, große Erfolge. Marc-Stefan Andres, Projekt-Manager bei ‘RUMS’, ist davon überzeugt, dass „das Konzept der bezahlten Newsletter eine große Zukunft haben wird, wenn man das auf vernünftige finanzielle Beine stellt.“ Franziska Bluhm ist dabei ähnlicher Meinung:

„Ich glaube, dass in Zukunft ganz viele Teile der Tageszeitung immer weiter ins Digitale abwandern und sich in Newsletterprodukte verwandeln. Weil sie es einfach machen, sich ganz zielgerichtet zu informieren und weil ich glaube, dass es für so ein Produkt noch eher eine Zahlungsbereitschaft gibt als für ein Sammelsurium an Inhalten, wo dann doch nur ein Drittel gelesen wird.“

Franziska Bluhm

Miriam Schröder

Miriam Schröder, leitet den Tagesspiegel Background Digitalisierung & KI: „In unserem Background Newsletter für Entscheider bieten wir die Aktualität und Schnelligkeit eines tagesaktuellen Mediums kombiniert mit der sachliche Tiefe einer spezialisierten Fachredaktion. Das ist als Angebot für zentrale Technikthemen ein Alleinstellungsmerkmal und macht den Nutzwert für die Entscheider aus.“


Dreimal in der Woche versendet RUMS Briefe an alle Leser:innen. Diese Briefe landen aber nicht im Briefkasten, sondern im E-Mail-Postfach der Abonnent:innen. Ein Newsletter als Alternative zur Regionalzeitung in Münster – das hat sich das RUMS-Team zur Aufgabe gemacht. Projekt-Manager Marc-Stefan Andres spricht im Interview über RUMS und das Format Newsletter im Lokaljournalismus. Das Interview mit Marc-Stefan Andres gibt es hier.

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