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Qualität im Journalismus, nur etwas für Gewinner

Wer entscheidet, was Qualität im Journalismus ist? Bei Journalistenpreisen manchmal das Publikum, eine Jury oder ein Algorithmus, der Klickraten auswertet: Die Mischung machts und den Preis verleiht am Ende meist eine Jury. Können Journalistenpreise als Qualitätssiegel fungieren? 

Ein Gastbeitrag von Christopher Döltsch und Franz Gläser

Genau wie im Sport, im Film und in der Wissenschaft werden Preise auch im Journalismus verliehen. Eine ganze Menge sogar. Allein in Deutschland gibt es 397 Preise, wenn Aufstellungen von Oberauer als Richtschnur dienen. Zwischen großen Preisen mit viel Renommee wie dem Nannen Preis und dem Theodor-Wolf-Preis gibt es, aber auch kleinere gestiftete Preise von Interessensverbänden. Sparkassen, Zahnärztekammer und Apothekerverbände, um nur einige zu nennen, nutzen Preise und Preisverleihungen, um Themen, Marken und Unternehmen in Medien zu positionieren, Kontakte zu Journalist:innen aufzubauen oder schlicht um Aufmerksamkeit zu erlangen. Solche Preise mit einem PR-Hintergrund haben besonders für freie Journalist:innen  mit den ausgelobten Preisgeldern einen wichtigen Aspekt. Der Effekt auf die gesamte Medienszene bleibt jedoch kritisch zu betrachten. 

 „Sie sind viel zu speziell und signalisieren die allgemeine Öffentlichkeit von Journalismus nicht“, sagt zum Beispiel Volker Lilienthal Professor an der Universität Hamburg. Ähnlich auch Klaus Ott, Redakteur bei der Süddeutschen Zeitung. Er wagt es zu bezweifeln, ob solche PR-Preise von großem Wert sind. 

Sieger

Klaus Ott ist selbst Träger mehrerer, renommierter Journalistenpreise. Wie etwa dem Wächter-Preis, bei dem er schon zwei Mal auf dem Siegerpodest stand, sowie dem Helmut-Schmidt-Journalistenpreis. Ott bezeichnet Journalistenpreise als essenziell. Jedoch betrachtet er Preise mit PR-Hintergrund kritisch. Sie könnten zwar Themen, die bisher nicht im Fokus lagen, beleuchten, jedoch spiele immer die Agenda der jeweiligen Partei eine Hauptrolle. „Der Apothekerverband wird keinen Preis vergeben, der sich mit Machenschaften in der Apothekerbranche auseinandersetzt“, sagt Ott.

Qualität im Journalismus sollte unabhängig sein von externen Einflüssen, und dazu gehören auch Preisgelder. Ein Beispiel hierfür ist der freie Journalist Mario Kaiser, der innerhalb eines Jahres 20 unertschiedliche Journalistenpreise gewann. Mit einer Mischung aus Renommee und PR-Preisen summierte sich sein Preisgeld auf circa 60.000 Euro. Ein Extremfall von Preisanhäufung für den freien Journalisten, der für Spiegel, die Zeit und brand eins schreibt. Prof. Lilienthal sieht denn auch das Hauptproblem eher in der Art der abnehmenden Medien, den Elitemedien wie er sagt. „Elitemedien besitzen ideale Arbeitsbedingungen und Hintergründe.“ Ein Journalist beim Nachrichtenmagazin Spiegel habe genegüber einem freiberuflichen Journalisten oder einem Lokaljournalist einen deutlichen arbeitstechnischen Vorteil. Monatelange Recherche und weitere professionelle Kollegen im Arbeitsalltag, die mitarbeiten erleichtern die Arbeit und helfen Qualität im Journalismus sicherzustellen. So komme es dann oft zu einer Preishäufung bei diesen Elitemedien und einzelnen Topjournalisten*innen.

Die Redaktionen von etablierten Medienmarken haben im Jahr 2022 bei Journalistenpreisen die Nase vorne – Die Verbandszeitschrift journalist hat 245 Preise betrachtet, die für 2022 ausgeschrieben waren und 171 davon ausgewertet. Bild: Statista.
Die Redaktionen von etablierten Medienmarken haben im Jahr 2022 bei Journalistenpreisen die Nase vorne – Die Verbandszeitschrift journalist hat 245 Preise betrachtet, die für 2022 ausgeschrieben waren und 171 davon ausgewertet. Bild: Statista.

Macht die Anzahl der Preise also einen Unterschied, wenn es um Professionalität und Qualität geht, ist Mario Kaiser ein besserer Journalist als weniger mit Preisen ausgezeichnete Kolleg:innen?

„Ich habe bei der SZ nie erlebt, dass jemand erst einen Journalistenpreis bekommen musste, um anerkannt zu werde“, sagt Ott. Etwas, das seiner Meinung nach nie  passieren darf ist, dass Redaktionen nach Journalistenpreisen jagen. “Das wäre eine ganz klare Fehlentwicklung. Der Preis sucht sich den Preisträger. Nicht umgekehrt.” Preise hätten auch nie eine Rolle bei der Vergabe von Themen im Berufsleben gespielt: „Das Kriterium ist immer, bei wem ist das Thema für den Artikel richtig untergebracht?“. 

Sind Journalistenpreise also doch kein herausragendes Merkmal für Qualität? Umso kritischer wird die Betrachtung, wenn auf die Vergabe des Henri-Nannen-Preises im Jahr 2012 geblickt wird:

Neben der Süddeutschen Zeitung sollte auch die BILD-Zeitung ausgezeichnet werden. Eine klare Fehlentscheidung, wenn es nach Ott geht. „Wir haben einen klaren publizistischen Standard. Wir können uns nicht mit der BILD-Zeitung auf eine Stufe begeben. Die Bild wird regelmäßig vom Deutschen Presserat gerügt“. Aus diesen Gründen hatten Ott und seine Kollegen diesen Preis seinerzeit auch abgelehnt. Trotz dieses Vorkommnis sieht er Journalistenpreise aberals wichtig an. „Fehler passieren überall. Von Einzelnen kann man nicht darauf schließen, dass alle anerkannten und seriösen Journalistenpreise fehl am Platz sind“.

Siegel

„Die Stellung der Preise für ein journalistisches Feld ist überschätzt. Man kann nicht davon ausgehen, dass ein journalistisches Feld, sei es so eine Nische wie der Technikjournalismus, ohne Preisstiftungen nicht überleben würde.“ sagt Lilienthal. Als Jurymitglied des Otto-Brenner-Preises für kritischen Journalismus misst Lilienthal Journalistenpreisen grundsätzlich eine Steuerungsfunktion bei. „Sie sind dazu da, das Publikum auf besonders guten Journalismus aufmerksam zu machen“.

Welche Preise wahrlich qualitativen Journalismus unterstützen und belohnen, lässt sich an der Jury und den Auswahlkriterien erkennen. Preise, die ein gesellschaftliches Mandat signalisieren, sind nach Lilienthal nicht nur mit Preisgeld belohnt, sondern auch mit Renommee im Berufsfeld. Da die Wahrnehmung von außen oft über das Geld geregelt ist, erkläre das die hohen Preissummen, die unter den Gewinnern verteilt werden. Hohe Honorierungen dienen als Lebensunterstützung, Motivator und Möglichkeit für neue journalistische Langzeitprojekte. Journalistenpreise müssen innerhalb Ihrer Jury, damit sie als qualitativ sind, unabhängig vom Preisstifter agieren. Die Juroren spielen eine genauso wichtige Rolle in der Sicherung der Qualität eines Journalistenpreises – sie entscheiden nämlich, ob sie überhaupt Teil des Preises sein wollen. 

Journalistenpreise sind also nötig, für Journalisten, für die Öffentlichkeit und für den Journalismus selbst. Qualität im Journalismus ist sicher nicht nur für Preisgewinnern vorbehalten. Das eigentliche Qualitätssiegel für jede journalistische Leistung bleibt die Wertschätzung des Publikums. 

Volker Lilienthal ist seit Juli 2009 Professor für Journalistik und Kommunikationswissenschaften an der Uni Hamburg und Inhaber der Rudolf-Augstein-Stiftungsprofessur für “Praxis des Qualitätsjournalismus”. 

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