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Innovationsagenturen – Schnittstelle zwischen Politik und Gesellschaft?

“Würde ich innovationspolitisch ein Rating machen, können wir uns durchaus mit den USA messen. Um etwas zu lernen, würde ich eher nach Schweden oder Finnland blicken.” Das meint zumindest Daniel Buhr, Leiter des Steinbeis Transferzentrum Soziale und Technische Innovation sowie Professor an der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Eberhard Karls Universität Tübingen. Derzeit dreht sich die Debatte zur deutschen Innovationspolitik vor allem um Innovationsagenturen und das Ausland als Vorbild. Sind Sprunginnovationen nur ein Buzzword, lohnt sich der Blick zur schwedischen Vinnova und braucht Deutschland noch mehr Innovationsagenturen? Diese Fragen beantwortet Daniel Buhr im Interview mit Kristina Konrad.

Daniel Buhr ist Professor für politische Wirtschaftslehre und Policy Analyse am Institut für
Politikwissenschaft der Universität Tübingen. (Foto: privat)

Was verstehen Sie unter dem Begriff Sprunginnovation?

Sprunginnovation ist ein typischer Containerbegriff, unter dem sehr viel verstanden werden kann. Ich würde mal grundlegend eine radikale, eine bahnbrechende Innovation darunter verstehen. In definitorischer Abgrenzung zu inkrementellen Innovationen. Sprunginnovation, also radikale Innovation, ist also vermutlich das, was Schumpeter mit der schöpferischen Zerstörung beschrieben hat. Solche Innovationen haben das Potenzial, einen Paradigmenwechsel auszulösen. Nehmen wir das Beispiel der Industrie 4.0 als Vision – diese hat das Potenzial vieles in der industriellen Fertigung der Vergangenheit infrage zu stellen. Man vermutet hier einen großen ökonomischen aber auch gesellschaftlichen Impact. Daher sind viele – natürlich auch die politisch Verantwortlichen – auf der Suche nach genau so einer Innovation. Es wird das Potenzial einer Sprunginnovation analysiert, sodass diese dann im eigenen Land oder am Standort gepusht werden kann. Hier kommen die Agenturen wieder ins Spiel.

Seit Ende 2019 hat Deutschland eine Agentur für Sprunginnovationen. Haben solche Innovationsagenturen Einfluss auf politische Entscheidungen?

Zuerst muss gesagt werden, dass wir in Deutschland als auch weltweit verschiedene Typen von Innovationsagenturen haben. Darunter gibt es einige, die komplett staatlich gefördert sind, wie zum Beispiel auch unsere Agentur für Sprunginnovationen. Auf der anderen Seite gibt es wiederum semistaatliche Innovationsagenturen – diese sind häufig bei Industrien oder Handelskammern angesiedelt. Hier sind diverse Industrie- und Technologieeinrichtungen als auch Universitäten vertreten. Diese sollen bei einer guten Idee den Übergang von einer Basiswissenschaft, einer Grundlagenforschung an der Universität oder einem Labor, wie z. B. einem Max-Planck-Institut, durch das sogenannte “Valley of Death” bis hin zur Marktreife erleichtern. Zudem gibt es private Akteure, die fleißig im Markt agieren und Innovationsberatung betreiben.

Dadurch, dass wir davon ausgehen, dass heutzutage Innovationen immer in Systemen und von vielen Akteuren entstehen, sind Innovationsagenturen ein relevanter und wesentlicher Akteur in diesem Ökosystem. Daher stehen politische Entscheidungsträger und Verwaltungen auch in ständigem Austausch mit Innovationsagenturen. Der Einfluss auf die politischen Entscheidungen ist schwierig zu messen. Jedoch kann gesagt werden, dass je näher eine Innovationsagentur im politischen Raum ist, also sobald Steuergelder damit verbunden sind, der Einfluss in beide Richtungen größer ist, als wenn man einen komplett privaten Akteur hat.

Erfolg messen – aber wie?

Sind Innovationsagenturen in Bezug auf die Verwendung von Steuergeldern und allgemein gegenüber der Gesellschaft im notwendigen Umfang transparent?

Die Innovationsagentur Sprin-D beispielsweise hat diese Transparenz meines Erachtens durchaus. Allgemein gilt bei solchen, öffentlich finanzierten Agenturen: Da entscheiden Ausschüsse und es gibt klare Budgets mit Haushalts-kennziffern. Die Opposition kann mit einer kleinen Anfrage einfach die Budgets erfragen und schafft damit auf der Ebene des Steuerzahlenden Transparenz. Bei den anderen ist es natürlich schwieriger zu messen, das sind auch privatwirtschaftliche Institutionen und dementsprechend wird auch privates Geld verwendet. Deswegen liegt das dann auch nicht so stark im Fokus.

Im Allgemeinen stehen wir natürlich immer vor der großen Herausforderung, bei der Grundlagenforschung angefangen an der Universität bis hin zu den politischen Akteuren und auch in den Innovationsagenturen ein Stück weit Innovation sowie ihre Arbeit sicht- und messbar zu machen. Bei jeder Maßnahme, vor allem bei den Fördermaßnahmen von Anfang an mitzudenken: Wie kann ich das bewerten? Und wie kann ich den Erfolg messen? Also nicht nur den Output, sondern eben auch den Outcome oder auch den gesellschaftlichen Impact. Eine soziale Innovation ist jetzt betriebswirtschaftlich nicht sonderlich erfolgreich und das muss sie auch vielleicht nicht sein. Möglicherweise auch nicht volkswirtschaftlich, aber sie kann eben einen sozialen Impact haben, weil es zum Beispiel für gerechtere Lebensverhältnisse sorgt, soziale Innovationen im Bereich von nachhaltigem Wirtschaften unterstützt oder unsere Ökologie nicht so strapaziert. Das alles ist ein Impact, der lässt sich mitunter gut messen.

Der Austausch zwischen politischen Verantwortlichen in solchen Evaluationsmaßnahmen und den Prozessen, die jenseits von so einem Abschlussbericht stattfinden, müssen besser werden. Es ist nicht nur bei den Berichten für Ministerien zu belassen, es sollte on top noch mal etwas drauf gesattelt werden. Es muss der Bevölkerung sichtbarer gemacht werden, was für ein Impact durch die Maßnahme kreiert werden könnte.

Zum Lernen nach Schweden und Finnland blicken

Ergebnis des European Innovation Scoreboards 2021. (Grafik: EU Kommission)

In der Diskussion um Innovation wird oft auf Vorbilder im Ausland verwiesen. Ist Deutschland innovationspolitisch nicht so weit fortgeschritten wie Schweden oder die USA?

Würde ich innovationspolitisch ein Rating machen, können wir uns durchaus mit den USA messen. Um etwas zu lernen, würde ich eher nach Schweden oder Finnland blicken, weil sich dieser Geist dort schon früher durchgesetzt hat. Es sind natürlich bevölkerungstechnisch kleinere Länder, aber dennoch können sie als Beispiel gelten. Schweden hat schon früh den industriellen Pfad verlassen und ist stärker in ihre Dienstleistungs- und IT-Innovation gegangen. Das hängt vielleicht auch mit der Verwaltung zusammen. Der öffentliche Dienst hat in Schweden ein anderes Ansehen als bei uns. Das sind vielschichtige Gründe. Es ist am Ende des Tages auch ein kleines Land mit anderen Strukturen. Wir müssen versuchen, in unserem – föderalen – Ökosystem mehr Akteure einzubinden und das ist natürlich schwieriger als in einem kleineren Land.

Benötigt Deutschland weitere Innovationsagenturen?

Tatsächlich ja. Wir brauchen eine Art Koordinationsinstanz. Seit Jahrzehnten haben wir einen relativ starken Aufschwung in der Ressortforschung. Früher wurde die Forschungspolitik vom Forschungsministerium (BMBF) betrieben und das Wirtschaftsministerium (BMWi) hat sich um den Innovationsteil gekümmert. Die Übergänge sind heutzutage fließend. Das BMBF betreibt nicht nur freie Grundlagenforschung, sondern unterstützt auch Innovationsprozesse, genauso wie auch das BMWi, das Gesundheits- und das Agrarministerium. Alle haben letztlich Ressortforschungsinstitute, die auch Innovation betreiben, unterstützen und vielleicht auch hemmen.

Da sind so viele politische Instrumente unterwegs, die gut orchestriert werden sollten und da fehlen uns in Deutschland geeignete Formate, die diese Koordination leisten. Wir benötigen Koordinationsinstrumente, um diesen Austausch innerhalb von Ministerien mit diesen Akteuren und Innovationsagenturen zu fördern. Eine Art Plattform, die diese Ökosysteme besser koordiniert und da ist die Idee, eine Agentur zu gründen, ideal. Es gibt verschiedene Anknüpfungspunkte im Ausland wie in Schweden oder Österreich. Unsere Agentur für Sprunginnovationen orientiert sich ja vielleicht auch ein bisschen in der Genese an der DARPA aus den USA.

Innovationsagenturen sind mehr als Symbolpolitik

Was sagen Sie zu der Aussage, dass es sich bei Innovationsagenturen um einen “Trend” handelt, um das jeweilige Wahlprogramm auszuschmücken?

Man darf in der Politik das Symbolische nicht unterschätzen. Dadurch wird das Thema im Idealfall in der Öffentlichkeit stärker wahrgenommen und da hilft es natürlich, wenn es im Wahlprogramm auftaucht. Ich sehe auch selbst, dass Parteien einen häufiger befragen als in der Vergangenheit. Deswegen nehme ich diesen Trend positiv zur Kenntnis, freue mich darüber und denke auch, dass das Thema aber auch zu wichtig ist, um hier nicht so prominent genannt zu werden. Denn es geht um die Gestaltung unserer Zukunft. Es geht um die Stärkung der Innovationsfähigkeit in der Gesellschaft und darum, wie wir die Zukunft in unserem Sinne als Gesellschaft gestalten können. Dafür brauchen wir Innovationen.

Wir sollten uns um die innovative Gesellschaft Gedanken machen, aber eben nicht nur rein technisch betrachtet, sondern auch die soziale und ökologische Innovation genauso in den Fokus nehmen. Im Sinne von Anpassungsfähigkeit einer Gesellschaft an Herausforderungen, die in der Zukunft warten. Ich glaube an die Gesellschaften, die in jeglicher Hinsicht agil sind, aber auch so eine, wie wir in der Wissenschaft sagen eine gewisse Ambidextrie aufweisen, die richtige Balance zwischen Stabilität und Veränderungsbereitschaft. Das sind wahrscheinlich die, die in der Zukunft erfolgreich sein werden, die besonders anpassungsfähig sind und das sind Kompetenzen, die man auf der individuellen, organisationalen und gesamtgesellschaftlichen Ebene entwickeln muss, sprich eine Innovationskultur als Gesellschaft. All das können dann auch hoffentlich Innovationsagenturen positiv beeinflussen.

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