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Innovation und Innovationskommunikation in Deutschland: Spitze?

Bei Innovationen ist Deutschland gut, aber nicht spitze. Sogenannte Innovationsagenturen sollen helfen, wichtige Technologien zu finden und zu fördern. Diese Aufgabe übernimmt seit Ende 2019 die Agentur für Sprunginnovationen. Aber es fehlt eine Agentur, die eine ganzheitliche Strategie für Innovationen, technisch und sozial, umsetzen hilft. Diese Lücke soll die D.Innova schließen.

Dem Standort Deutschland werden gute Noten gegeben, wenn es um Innovation, Erfindergeist und Technologieentwicklungen geht. Aktuell wurden die Biontech-Gründer Özlem Türeci und Ugur Sahin sowie die Biochemikerin Katalin Karikó für die für die Forschung und die Entwicklung ihres mRNA-Impfstoffes mit dem Paul-Ehrlich-und-Ludwig-Darmstaedter-Preis 2022 ausgezeichnet. Aber trotz dieser herausragenden Leistung: Der Standort Deutschland bekommt eben nur gute Noten und keine sehr guten. Es gibt zahlreiche Rankings, die versuchen, die Innovationskraft von Ländern in Zahlen zu übersetzen und zu vergleichen.

Unabhängig von deren Kriterien, gemeinsam ist allen, dass Deutschland nahe an, aber eben nicht in der Spitzengruppe ist. Der jüngste Global Innovation Index 2021 von Mitte September sieht Deutschland in den Top 10, aber eben auf dem 10. Platz hinter der Schweiz, Schweden, den USA, Großbritannien, Südkorea, den Niederlanden, Finnland, Singapur und Dänemark. Auch der Innovationsindikator, den der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), das Fraunhofer Institut ISI und das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) erheben, sieht Deutschland nur dicht an der Spitzengruppe.

Parteien haben Innovation als Thema entdeckt

Auch im Wahlkampf zur 20. Legislaturperiode des deutschen Bundestages betonen die Parteien die Bedeutung von Innovation, Technologieentwicklung und Forschung. In der Öffentlichkeit ist vor allem die Debatte um die Innovationsagenturen bekannt geworden. Einerseits hat sich der Leiter der Agentur für Sprunginnovationen (Sprin-D), Rafael Laguna de la Vera, zu Wort gemeldet und Reformen für seine Agentur eingeklagt. Andererseits hat die Partei Bündnis 90/Die Grünen konkret die Gründung einer weiteren Innovationsagentur D.Innova vorgeschlagen, die sich stark an der schwedischen Vinnova orientiert. Die Orientierung an Skandinavien liegt nahe, denn Schweden, Finnland und Dänemark sind konstant unter den innovativsten Ländern.

Chef der Agentur für Sprunginnovationen, Rafael Laguna de la Vera: “Wir brauchen eine Steuerung, die Agenturen auf wichtige Themen setzt.” Foto: Screenshot Webtalk 4.6.2021 (Banholzer)

Im Jahr 2019 wurde die Sprin-D als staatsfinanzierte Agentur gegründet und sollte nach dem Vorbild der amerikanischen DARPA wichtige Innovationen identifizieren, voranbringen und auch finanziell unterstützen. Im Gegensatz zur DARPA soll Sprin-D allerdings nur zivile und keine militärischen Innovationen begleiten, dazu wurde parallel die Cyber-Agentur gegründet. Beide Projekte haben aber mit Problemen zu kämpfen. Aufsehen hatte Rafael Laguna de la Vera damit erregt, dass er als Chef der Agentur Anfang des Jahres 2021 in die Öffentlichkeit ging und die Konstruktion der Agentur sowie die bürokratischen Hemmnisse vehement kritisierte.

Scheitert Deutschland wirklich in kleinen Schritten?

Die FAZ zitierte ihn mit dem Satz, Deutschland scheitere in kleinen Schritten. Entweder hat die Kritik gewirkt oder Rafael Laguna de la Vera schlägt unmittelbar vor dem Wahltermin bewusst sanftere Töne an. „Die Situation ist besser als es derzeit den Anschein durch den Blätterwald hat“, meint er zumindest im Rahmen einer Onlinediskussion im Juni. Reformen müssten allerdings in der neuen Legislaturperiode erfolgen, weniger Bürokratie, mehr Entscheidungsfreiheit und eine politische Steuerung, die Rahmen setze. Die Unternehmerin Verena Pausder brachte das auf den Punkt: Die Agentur für Sprunginnovationen von der Leine lassen. Dieser Weckruf scheint bei den Parteien angekommen zu sein, denn von den Unionsparteien über die FDP und Bündnis 90/Die Grünen bis hin zur SPD wird das in den Wahlprogrammen berücksichtigt.

Dr. Anna Christmann, Bundestagsabgeordnete Bündnis 90/Die Grünen und Obfrau in der Enquete-Kommission “Künstliche Intelligenz”: “Nur mit Lobhudelei auf den Standort kommen wir nicht weiter.” Foto: Screenshot Webtalk 4.6.2021 (Banholzer).

Aber: Auch wenn die Sprin-D künftig freier agieren kann, es fehlt eine Innovationsagentur, die neben Technologien auch soziale Innovationen in den Blick nimmt. Diese Lücke soll nach dem Willen von Bündnis 90/Die Grünen eine neue Innovationsagentur, D.Innova, schließen. Eine der Initiator:innen die Grünen-Abgeordnete Anna Christmann bezeichnet denn auch „soziale Innovation als die große Leerstelle der aktuellen Innovationspolitik“. Sie vermisst „jegliche agile Projektsteuerung“ bei Innovation, die High-Tech-Strategie der Bundesregierung sei keine Strategie, sondern eine Sammlung verschiedener Projekte.

Die neue Agentur soll auch die Fachhochschulen in die Innovationspolitik besser integrieren und deren Stärke, die regionale Verwurzelung, nutzen. Das Konzept erinnert an die schwedische Innovationsagentur Vinnova. Auch im Konzept von Bündnis 90/Die Grünen sind analog zum schwedischen Vorbild Nachhaltigkeitsziele und ein umfassendes Verständnis von Innovation enthalten. Allerdings fehlt ein Aspekt im Konzept der D.Innova, der in Schweden bereits mitgedacht worden ist: Innovationskommunikation. Dass hier Bedarf besteht, sieht auch Anna Christmann, die die aktuelle Wissenschaftskommunikation weiter stützen will. Nur mit „Lobhudelei auf den Standort kommen wir nicht weiter“.

Ein Blick in die Wahlprogramme der Parteien zeigt auch, Kommunikation für Innovationen oder von Innovationsagenturen findet kaum Beachtung. Innovationskommunikation ist wichtig, auch um Akzeptanz für Innovationen herstellen zu können. Zwar erlebt Deutschland derzeit eine intensive und wichtige Debatte um Wissenschaftskommunikation, das ersetzt aber nicht Überlegungen zu Kommunikation von und in Innovationsökosystemen. Innovationsagenturen können hier als Intermediäre auch wichtige Aufgaben übernehmen.


Zu den Möglichkeiten und Grenzen von Innovationsagenturen und Innovationskommunikation haben wir noch weitere Perspektiven eingeholt, die Sie in den nächsten Tagen erwarten:

Daniel Buhr, Professor an der Universität Tübingen: Es geht um die innovationsfähige Gesellschaft.

Anna Christmann, MdB Bündnis 90/Die Grünen: Deutschland braucht ein Update: D.Innova.

Barbara Diehl, Entrepreneurship Educator bei Sprin-D