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Was “Anderes” mit Medien – Wie man als Gewohnheitstier durchstartet

Der Beschluss ist gefasst, es geht weiter mit “Was mit Medien” auch ohne den gewohnten Donnerstagssendeplatz im Programm des Deutschlandfunks. Aber wie Daniel Fiene sagt, es ist ein Prozess, der offen ist. Zu den Gedanken und Überlegungen, die ein Gewohnheitstier “Journalist” sich jetzt machen muss – einer der Macher, Daniel Fiene.

Wie fühlt es sich an, wenn man als Medienjournalist selbst zum Gegenstand des Medienjournalismus wird?

Daniel Fiene: Journalisten sind Gewohnheitstiere. Es ist immer komisch, wenn ich als Journalist nicht die Fragen stelle, sondern sie beantworten muss. Das kommt ja mal vor, wenn man als Experten eingeladen wird, um ein Thema zu kommentieren. Auslöser der Geschichte zu sein ist schon das fortgeschrittene Level. Das ist noch ungewohnter. Was wir über die Jahre gelernt haben: Journalisten berichten zwar ständig über Wandel, mögen es aber nicht, wenn dieser sie selber trifft. Herr Pähler, Dennis und ich versuchen jetzt offen zu sein. Das Publikum wandelt sich – da müssen wir uns auch frisch halten und uns mal komplett hinterfragen. Das ist die hohe aber auch unterschätzte Kunst in der Medienbranche. Was ich schon jetzt sagen kann: Das ist sehr anstrengend.

Was war der erste Gedanke, als die Entscheidung des DLF eintraf?

Daniel Fiene: Ich war sehr traurig. Die neuen Chancen hatte ich nicht direkt gesehen. Schon zum Sendestart vom Nova-Vorgänger DRadioWissen hatten wir uns eine Kooperation vorstellen können und als es ein paar Jahre später klappte, erfüllte sich für uns ein Traum. Das Team hat Deutschlandfunk Nova stark weiterentwickelt und eine Umgebung geschaffen, in der wir uns immer wohler gefühlt haben. Als konstruktiver Begleiter des Medienwandels, ergänzen wir auch inhaltlich die Themenvielfalt des Senders sehr gut. Mittlerweile brenne ich aber für die neuen Möglichkeiten, die wir jetzt diskutieren können: Wie wollen wir im Jahr 2020 eigentlich den Begriff Medien mit Leben füllen — seit unserer Gründung 2004 hat sich viel verändert? Was für Bedürfnisse hat unsere Hörerschaft? Wie können wir eine bessere Online-Begleitung für das Format umsetzen, die im Konstrukt eines Senders nicht möglich ist? Wie können wir ein Geschäftsmodell entwickeln? Von welchen Zöpfen sollten wir uns trennen? Jetzt einmal die Dinge selber auszuprobieren, die wir die Jahre über immer thematisiert haben, ist eine super Chance.

Warum Medienjournalismus? Was hat Dich als Macher von #Wasmitmedien rückblickend zweifeln oder umdenken lassen, bestätigt und bestärkt und was spornt Dich jetzt an?


Daniel Fiene: Als wir 2004 beim Campusradio starteten, haben wir ein Format von Studierenden für Studierende gemacht, die mal „was mit Medien machen“ wollten. Unsere Neugierde auf „Wie funktionieren Medien?“ und „Wie verändern sich Medien?“ sind geblieben. Das Bedürfnis an Medienjournalismus ist sogar gewachsen. Das Vertrauen in Medien geht zurück, auch weil Medien oft zu wenig erklären, wie sie arbeiten. Dann kommen viele Medien bei der Digitalisierung nicht mit: Die Nutzerschaft verändert den Medienkonsum rasant, Techplayer die es zu unserem Sendestart noch nicht gab, sind zum Freundfeind geworden. In den ersten Corona-Wochen hatten wir auch alle Hände zu tun: Wie funktioniert Wissenschaftsjournalismus? Was passiert, wenn „normale“ Journalisten auf einmal aus wissenschaftlichen Diskursen zitieren  – ich glaube, es gibt einen großen Bedarf, sich mit diesen Themen zu beschäftigen.

Wie wichtig sind in der Podcast-Zeit überhaupt feste Sendeplätze in einem linearen Angebot? Und: Ist eine eigene Plattform, also die Unabhängigkeit von einem Nachrichtenmedium, die Chance für mehr Glaubwürdigkeit einer medienjournalistischen Arbeit?

Daniel Fiene: Der Rundfunk ist tot. So ein Satz würde sich jetzt prima lesen, aber das ist nur die halbe Wahrheit. Renomée und Budgets sind heute noch stark mit der linearen Welt verbunden. Auf der anderen Seite müssen Formate die sowohl im Linearen als auch in der On-Demand-Welt funktionieren sollen, ständig Kompromisse eingehen. Diesen Drahtseilakt können wir uns jetzt sparen. Vielleicht ist es aus Hörersicht besser, wenn wir uns voll und ganz auf den Podcast konzentrieren können. Dann können wir in den nächsten Jahren auch berichten, wie es für Radio- und Fernsehsender weitergeht. Ich glaube: Lineare Angebote sind weiter gefragt, müssen sich aber stark verändern.

Daniel Fiene: “Medien verändern sich – ein Grund warum #Wasmitmedien überhaupt existiert.”

Was die Unabhängigkeit medienjournalistischer Arbeit angeht, ist das ein komplexes Thema, das nicht immer gut umgesetzt wird. Manche Medienmagazine klingen wie ein hausinternes PR-Magazin. Andere haben eine extrem kritische Haltung, nur um nicht in den Verdacht zu geraten, sie könnten aufgrund ihres Absenders nicht unabhängig berichten. Bei letzterem Ansatz steht häufig schon das Ergebnis bei Recherchebeginn fest. Ich persönlich sehe das so: In der Zeit beim Campusradio haben wir uns eine Reputation aufgebaut, wir haben 2007 und 2008 für Welt.de produziert, waren seit 2012 ein öffentlich-rechtliches Format und zwischendrin selbstständig unterwegs. Jede Phase brachte ihre eigenen Herausforderungen, aber wir konnten uns jeweils frei bewegen. Es wird aber kniffeliger: Wenn wir jetzt wieder als eigenständiges Projekt arbeiten, müssen wir zur Stärkung der Reputation nicht nur weiter auf Handwerk setzen, sondern uns auch besser erklären: Wer sind wir eigentlich? Was sind unsere Ziele? Wie finanzieren wir uns?

Journalismus und das liebe Geld: Wie sieht Euer Modell aus, um das eigenen Angebot künftig zu finanzieren?

Daniel Fiene: Wir wissen noch nicht, wie wir „Was mit Medien“ konkret verändern werden. Wenn das Konzept steht, wird auch das Geschäftsmodell klarer. Wir starten mit einem Supporter-Modell für unsere Hörer*innen, damit wir es uns erst einmal leisten können, jede Woche zu podcasten. Mittelfristig stelle ich mir aber auch Werbung oder Kooperationen mit anderen Firmen, Sendern oder Medien vor. Zum Beispiel könnten das journalistische Auftragsproduktionen sein, die den Podcast finanzieren. Auch in Workshops und Webinare sehe ich gute Möglichkeiten. Unser Anspruch ist auf jeden Fall, dass wir mittelfristig ein Budget haben, mit dem wir auch freie Journalist*innen als Reporter oder auch Sound-Designerinnen oder Graphiker beauftragen können.

Konkret: Was sind die nächsten Schritte für Euch?

Daniel Fiene: Am 13. August läuft unsere letzte Sendung und am kommenden Donnerstag gibt es schon unseren ersten Podcast: Am 20. August erscheint der erste Podcast in Eigenregie. Bei dem geben wir aber direkt das Zepter aus der Hand. Der Radio-Trainer und Format-Entwickler Christoph Flach wird mit uns einen Format-Workshop machen, indem wir „Was mit Medien“ neu erfinden wollen. Wir hatten im Team schon so gute Diskussionen, dass wir gesagt haben: Warum machen wir das nicht transparent vor unseren Hörern und lassen uns dabei professionell leiten. Wir wollen also direkt weitermachen und in den ersten Wochen auch im Blog oder im Podcast einen Werkstattbericht liefern, wie der „Wir erfinden uns neu“-Prozess verläuft. Wer uns begleiten möchte, findet uns unter wasmitmedien.de.

(*) Compliance Note: Daniel Fiene und der Studiengang Technikjournalismus/Technik-PR an der Technischen Hochschule Nürnberg haben in seiner Zeit bei der Rheinischen Post im Rahmen von Forschungsprojekten zusammengearbeitet.