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Deutschland braucht ein Update: D.Innova

„Deutschland braucht ein Update seiner Innovationsförderung”. Dieser Meinung sind die MdBs der Grünen, Anna Christmann und Kai Gehring. Zusammen mit der Präsidentin der Technischen Hochschule Lübeck, Prof. Muriel Helbig, und dem Professor für Wissens- und Technologietransfer an der Universität Potsdam, Hans-Henning von Grünberg haben die beiden ein Konzept für eine Innovationsagentur D.Innova veröffentlicht. Die soll die viel diskutierte Agentur für Sprunginnovationen (Sprin-D) aber nicht ersetzen, sondern ergänzen. Wie? Das verrät Anna Christmann im Interview mit Gerrit Grella.

Dr. Anna Christmann ist Abgeordnete im Bundestag für Bündnis 90/Die Grünen.
(Foto: Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag, Kaminski)

Durch den Fokus von D.Innova auch auf regionale Innovationsförderung soll mehr Dynamik und Kooperation zwischen den zentralen Akteuren wie Hochschulen und Forschungseinrichtungen mit der Wirtschaft gefördert werden. Bis wann wollen Sie dieses Konzept umsetzen und diese neue Agentur ins Leben rufen?

Wir befinden uns jetzt in einem politischen Prozess. Das ist also erstmal ein Vorschlag von uns Grünen. Aus unserer Sicht ist dies ein Projekt, wenn wir als Grüne in die Situation kommen, dass wir nach der Bundestagswahl Koalitionsverhandlungen mitführen, dann soll im Koalitionsvertrag festgehalten werden, eine solche Innovationsagentur zu gründen. Auch wenn wir als Grüne vielleicht nicht daran beteiligt sind, könnten sich andere Parteien dafür entscheiden den Vorschlag aufzugreifen. Sofern uns dies gelingen sollte, wäre dann die nächste Wahlperiode die Phase, in der dies umgesetzt werden soll.

Es wurden vermehrt internationale Innovationsagenturen als Vorbild genannt. An welchen Agenturen haben Sie sich orientiert und wo wurden hierbei die Schwerpunkte der Agentur, wie zum Beispiel Nachhaltigkeit, gelegt?

Also speziell der Nachhaltigkeitsfokus orientiert sich ein bisschen am Vorbild der Vinnova, die das ins Zentrum stellen. Das ist für uns ein wichtiger Teil, die Fokussierung auf die globalen Nachhaltigkeitsziele, quasi als Werteorientierung einer solchen Agentur. Es gab in der Vergangenheit schon die Diskussion um eine deutsche Transfergemeinschaft, die so ein bisschen in eine ähnliche Richtung ging. Die hatte diesen Fokus auf die globalen Nachhaltigkeitsziele jedoch nicht und das ist auch einer der Punkte, den D.lnnova neu mitbringt.

Es gibt ja bereits eine Innovationsagentur für Sprunginnovationen Sprin-D. Warum brauchen wir jetzt eine weitere Agentur, wenn dann beide vielleicht sogar im Wettbewerb zueinander stehen könnten?

Nicht alles, was Innovationen betrifft, sollte sinnvollerweise direkt aus Ministerien heraus gemacht werden. Agenturen haben einfach eine flexiblere Struktur, die eine bessere Möglichkeit bietet, neue Leute mit Praxiserfahrung einzubinden, die selbst schon aus dem Innovationssystem kommen und keine Verwaltungslaufbahn hinter sich haben. Das sehen wir auch in anderen Systemen wie zum Beispiel dem der USA. Dort gibt es ganz viele verschiedene Innovationsagenturen. Die Idee also, dass es nur eine einzige Innovationsagentur geben kann, mit der alles erledigt wäre, würde ich so grundsätzlich nicht teilen. Konkret im Vergleich zur Sprin-D hat D.lnnova eine vollkommen andere Perspektive, da die Agentur für Sprunginnovation, wie der Name schon sagt, vor allem auf disruptive Innovation – Sprunginnovation – setzt. Diese sind vielleicht sehr unsicher und riskant, sehr groß gedacht und es ist gegebenenfalls ein sehr hohes Investitionsbudget nötig, damit diese überhaupt ausprobiert werden können. Und all das steht bei D.lnnova nicht im unmittelbaren Fokus. Es geht hier wirklich darum, verschiedene regionale Ökosysteme vor Ort zu stärken und Akteure zusammenzubringen, die vielleicht sonst nicht miteinander kooperieren würden. Die Voraussetzung, dass es sich um eine besonders disruptive Innovationsidee handeln muss, um gefördert zu werden, wird es bei der D.lnnova so nicht geben. Das heißt, der Fokus ist ein ganz anderer und somit herrscht auch keine Konkurrenz, sondern es ist vielmehr eine wichtige Ergänzung.

“Wir wollen wirklich eine ganz breite Öffnung des Systems erzielen”

Der Fokus der D.Innova liegt auf den regionalen Ökosystemen in Deutschland. Wie wollen Sie die Hochschulen verstärkt in die Innovationsentwicklung einbinden?

Innovationsentwicklung findet ja traditionellerweise an den Hochschulen statt. Die Hochschulen sind auch jetzt schon häufig ein Partner von Projekten mit Unternehmen. Es gibt beispielsweise Doktoranden-Programme mit Unternehmen. Es ist traditionell ein Teil der Aufgaben von Hochschulen, Transfer in die Gesellschaft und eben auch in die Wirtschaft zu betreiben. Das funktioniert jedoch unterschiedlich gut an den verschiedenen Hochschulen. Und bisher gibt es nur sehr wenige Programme, die das adressieren und wenn doch, dann jeweils mit sehr konkreten Vorgaben. Das sind dann sogenannte ZIM Programme (Zentrales Innovationsprogramm Mittelstand) des BMWI, (Bundesministerium für Wirtschaft und Energie) wo die Hochschulen erst einmal überlegen müssen, ob sie das überhaupt wahrnehmen wollen. Mit D.lnnova wollen wir das breiter aufstellen und damit die Hochschulen auch in die Lage versetzen, wirklich sehr anlassbezogen auszuwählen, welche Kooperation bei ihnen vor Ort passt und welche Akteure wie Kommunen oder Vereinen sie dazunehmen wollen. Wir wollen also nicht nur explizit die Wirtschaft ansprechen, sondern wirklich eine ganz breite Öffnung des Systems erzielen. Und damit könnten wir auch einen Anreiz für die Hochschulen setzen, ganz aktiv in solche Transferprojekte zu gehen. Gerade in Regionen, wo es schwierig ist, weil die nächste Hochschule weiter weg ist, soll D.lnnova versuchen, Kooperationen aufzubauen, die von allein gar nicht stattfinden würden. Hier sollen Innovationsmanager aktiv in die Regionen gehen und Leute zusammenbringen, die sich sonst vielleicht gar nicht über den Weg laufen würden.

Das bedeutet, die D.Innova macht dann ganz klassische Agenturarbeit als Berater und Vermittler?

Genau. Das macht auch das flexible einer solchen Agentur aus, im Vergleich zu einem klassischen Förderprogramm eines Ministeriums, wo es nur den einen Weg gibt. Es gibt eine Ausschreibung, man bewirbt sich darauf und dann gibt es entweder eine Zu- oder Absage seitens des Ministeriums und man bekommt Geld zur Verfügung gestellt, welches man ausgeben kann. Die Agentur hat eben die Möglichkeit, das sehr viel flexibler und projektbezogener zu machen. Oder sie kann ein Projekt begleiten, bei dem man denkt, da kommt jetzt etwas ganz Neues zusammen, das noch nicht erprobt ist und die Agentur kann zwischendurch den Stand erfragen. Somit bildet sich auch ein viel flexibleres und lernendes System.

Genau hier steht die Sprin-D in der Kritik, wenn es um Fördermittelvergaben geht. Zu unflexibel und zu träge sei der aktuelle Prozess. Dies sagt die Sprin-D ja mittlerweile auch über sich selbst. Wird es mit D.Innova einfacher, Fördermittel zu vergeben und auch auszugeben?

Also grundsätzlich ist es richtig, dass man bei Steuergeldern sehr genau hinschaut, für welche Projekte sie ausgegeben werden sollen und wie diese dann auch verausgabt werden. Dass man darlegen muss, was mit dem Geld passiert, wird auch bei einem Förderprogramm der D.lnnova so sein. Was die Agentur für Sprunginnovationen als Problem hat, sind vor allem die starren Instrumente im Förderprozess. Zum Beispiel, dass man immer eine GmbH des Bundes gründen muss, also eine öffentliche GmbH, in der man selbst gar nicht mehr Inhaber sein kann. Das sind die Probleme, die Sprin-D hat und da teile ich auch die Meinung, dass das flexibler sein sollte und auch, dass gegebenenfalls die gesetzlichen Vorgaben angepasst werden, damit mehr Flexibilität möglich ist. Das gilt auch für die D.lnnova. Aber wir haben jetzt nicht die Vorstellung, dass die vergebenen Fördergelder frei zur Verfügung stehen, ohne dies dann darlegen zu müssen. Wir wollen kein Geld ausschütten, damit Leute damit dann eine Poolparty schmeißen können. Es geht beispielsweise bei Ausgründungen darum, dass man als Hochschule nicht verpflichtet wird, hohe Lizenzgebühren von Start-ups zu verlangen, damit diese nicht schon “verhungern”, bevor es überhaupt losgeht. Das heißt den Start-ups somit ein bisschen eine längere Leine zu geben, indem man vielleicht stattdessen mit Beteiligungen arbeitet. Hierbei kann die Agentur eine wichtige Aufgabe übernehmen und beraten, was gute Modelle sind und wie man das Ganze einfacher machen kann, damit es auch funktioniert. Das würde ich als einen Hauptfokus sehen, der dann von der Agentur geleistet werden soll.

“Transparenz ist eine Aufgabe für alle Fördermittel des Bundes”

Wie könnte denn der Prozess der Projektausschreibungen bei D.Innova aussehen? Bei Sprin-D mit ihren Wettbewerben erscheint dies als nicht besonders transparent und schwer einsehbar, wer am Ende den Zuschlag bekommt.

Nun das geht jetzt schon sehr in Detail und ist natürlich auch noch nicht so detailliert ausgestaltet. Ich möchte gerne, dass da am Anfang eine gewisse Flexibilität herrscht, um verschiedene Arten von Fördermodellen ausprobieren zu können. Ich könnte mir durchaus vorstellen, dass es auch bei der D.lnnova solche Wettbewerbe gibt, allerdings mit einem anderen Fokus wie bei der Sprin-D. Vielleicht, dass man sich mit seinem regionalen Innovationsökosystem bewerben kann oder eines ausgewählt wird. Das ist dann eine andere Form – also keine wettbewerbliche Vergabe – sondern eine gezielte, wo wir selbst suchen, wer förderungswürdig ist. Und wenn es jetzt um das Thema Transparenz geht, ehrlich gesagt, ich glaube, das ist eine Aufgabe für alle Fördermittel des Bundes, dass sie transparenter werden müssen. Sowas kann eine Agentur vielleicht auch besser leisten und auf einer eigenen Webseite transparent machen. Aber das gilt aus meiner Sicht auch für das Bundesforschungsministerium (BMBF), deren Förderungen transparenter sein müssten und das wäre mal eine Aufgabe, dies auch umzusetzen. Sicherlich ist das auch für eine Innovationsagentur wichtig und zentral, hier die nötige Transparenz herzustellen, aber eben letztlich für jede Art von Innovationsförderung, die durch die öffentliche Hand stattfindet.

Was sagen Sie zu der Aussage, dass es sich bei Innovationsagenturen um einen “Trend” handelt, um das jeweilige Wahlprogramm zu schmücken? Beispielsweise hat die SPD einen kurzen Absatz im Wahlprogramm 2021, der besagt, die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KFW) zu einer modernen Innovations- und Investitionsagentur weiterentwickeln zu wollen.

Die KFW in eine Innovationsförderanstalt umzugestalten, klingt für mich ein bisschen danach, die Prinzipien der Förderung ein wenig zu erleichtern. Aber am Ende wäre die KFW vermutlich immer noch die KFW. Ich kann jetzt hier nicht für die SPD sprechen, aber das klingt für mich jetzt nicht besonders nach einer Neuerung.

Zum Abschluss ein Blick in die Zukunft: Was sind ihre drei Wünsche, wie es mit D.Innova weitergehen soll?

Also mein erster Wunsch wäre, dass D.lnnova im Koalitionsvertrag steht. Mein zweiter Wunsch wäre, dass dann 2022 auch wirklich ein Konzept in der neuen Regierung erarbeitet wird und mein dritter Wunsch, dass man 2023 dann wirklich loslegen kann. Ich glaube, das wäre ein sehr ambitionierter Zeitplan und natürlich kann man so eine Innovationsagentur nicht über Nacht aus dem Boden stampfen. Aber wenn man sagen könnte, dass diese neue Innovationsagentur zur Mitte der nächsten Wahlperiode startet, dann wäre das auf jeden Fall eine richtig gute Ergänzung für unser Innovationssystem.

Dann bleiben wir gespannt, was aus D.lnnova wird.

Absolut – und je mehr Leute darüber sprechen, umso besser die Aussichten!

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