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Fachmedien-Events: Nicht mehr als Networking in Nadelstreifen?

Immer mehr Fachverlage bieten ihrer Leserschaft Events an, wie Konferenzen, Seminare und Workshops. Doch bieten diese Veranstaltungen tatsächlichen einen Mehrwert, über das Netzwerken hinaus?

Ein Gastbeitrag von Maria Schwarz

Mit Sekt und Häppchen dekorierte Stehtisch säumen das lichtdurchflutete Foyer. Ein paar der Nachzügler sind noch auf der energischen Suche nach ihren Namensschildern in den grauen Boxen am Empfang. Etwa ein Dutzend versammelt sich schon um die Stehtische und unterhält sich bereits angeregt bei einem Glas Sekt. Dresscode – Business Casual. Es schlägt Punkt 14 Uhr, Zeit um die Plätze im anliegenden Saal aufzusuchen in welchem gleich der erste Vortrag beginnt. Das murmelnde Getümmel verstummt, sobald der Redner in das Micro räuspert und das Publikum zum Fachkongress für B2B-Medien willkommen heißt.

Allrounder sind heiß begehrt

Die Digitalisierung macht auch vor dem Fachjournalismus keinen Halt. Nicht nur neue Darstellungsformen wie der Podcast oder digitalisierte Recherchetools prägen die Medienlandschaft von heute. Auch Veränderungen im Anforderungsprofil von Nachwuchsjournalisten im Bereich der Fachmedien sind zu beobachten. So zeigt eine Umfrage der Hochschule Würzburg-Schweinfurt und der Verleger-Plattform Deutsche Fachpresse, dass rund die Hälfte der B2B-Verlage nach Allroundern suchen, die sowohl in den Bereichen Print, Online und sozialen Medien ausgebildet sind, aber auch die Rolle des Moderators bei Events bedienen können.

Viele Fachverlage haben das Geschäftsfeld Event für sich entdeckt. „Als Marken für seriösen Qualitätsjournalismus können die Verlage auf ihren Namen setzen, wenn es darum geht, beispielsweise mit Unternehmen oder deren Verbänden und Vertretern der Politik, einen exklusiven Rahmen für die Diskussion wichtiger aktueller wirtschaftlicher und politischer Fragen zu schaffen“, heißt es im Arbeitspapier “Ausverkauf des Journalismus? Medienverlage und Lobbyorganisationen als Kooperationspartner” der Otto Brenner Stiftung. Die Kooperation mit Industrieunternehmen in Form von Events bietet sich besonders im Bereich des Technikjournalismus an. Dienen solche Events nur noch dem Networking oder bieten sie tatsächlich einen journalistischen Mehrwert?

Verschiedenste Event-Formate für die eigenen Marken

Auch die Mediengruppe Heise, welche unteranderem Herausgeber des Technikmagazins Technology Review ist, hat im Eventbereich einiges zu bieten. Mit Heise Events will die Heise Medien GmbH & Co. KG laut Website durch Konferenzen, Seminare und Workshops ein „gehobenes IT-Fachpublikum“ ansprechen. Inhaltlich behandelt das neue Geschäftsmodell alles rund um Informations- und Digitalisierungsthemen. Heise Events veranstaltet hierbei sowohl Formate eigener Marken, wie zum Beispiel IX, CT, Technology Review und Marke und kooperiert zudem auch mit ITK-Unternehmen. Sie pflegen zudem einen eigenen Newsletter und eine aktive Facebook-Seite. Auch kostenpflichtige Webinare bietet Heise Events an. Die Kosten für ein Webinar reichen von 79 bis 149 Euro.

Das Medienunternehmen ist nicht neu auf dem Eventmarkt. Schon seit zehn Jahren werden Veranstaltungen unter dem Namen Heise angeboten und seit 2015 unter dem Markenbereich Heise Events. Gisela Strnad, Leiterin von Heise Events erklärt das Konzept, das man dabei fährt: „Wir machen Veranstaltungen für unsere In-Haus Marken, sprich CT und IX und so weiter, die dann auch unter jener Marke laufen. In dem Moment agieren wir wie eine Agentur für unsere internen Marken. Wir gehen aber auch raus und machen Veranstaltungen unter der Marke Heise Events, oder wir agieren auch als Agentur Heise Events wieder mit externen Kunden, zum Beispiel mit Verbänden“. Der Eventableger ist ein eigenständiges Business Center und hält sich durch seine Organisationsstruktur alle Möglichkeiten für Zusammenarbeit offen.

Vom Programmierer bis zum Rechenzentrumsleiter

Die Zielgruppe der Veranstaltungen wird durch die Informationen auf der Veranstaltungswebsite bereits eingegrenzt, aber sind mit gehobenem Fachpublikum nur Führungskräfte aus den jeweiligen Branchen gemeint? Strnad erklärt, dass auf den Kongressen durchaus ein breites Publikum angesprochen wird, denn „90 Prozent unserer Teilnehmer auf den Events sind IT-Mitarbeiter auf allen Ebenen, vom Rechenzentrumsleiter über den Entwickler, den Security-Experten, den Architekten, den Programmierer, also alle, die man in einer IT-Abteilung in einem Unternehmen findet“. Auch die Vortragenden haben einen gemischten Background, allerdings nur wenige aus dem Redaktionsumfeld von Heise, oftmals werden Externe Redner beauftragt.

Dass nur die wenigsten der Vortragenden einen redaktionellen Hintergrund haben, liegt auch an fehlenden Moderationsfähigkeiten. Denn wenn Redakteure plötzlich vom Büro auf eine Bühne gestellt werden, verzagen manche an dieser neuen Aufgabe. Das bestätigt auch Sigrun Albert, Chief Product Officer von der NZZ „es ist nicht jeder eine Rampensau. Es ist nicht jeder gewohnt, vor so vielen Leuten aufzutreten. Wir haben das bereits vor meiner Zeit mit wenigen, die sich das vorstellen konnten, gemacht. Man hat auch festgestellt, nachdem die Ersten sich vorgewagt haben, dass dann ein paar auch Spaß daran gefunden haben“.

Anforderungsprofil im Wandel

Albert, deren Verlag auch schon seit einigen Jahren im Eventgeschäft tätig ist, erklärt, wie man es den ungeübten Rednern einfach machen kann: „Man kann sich auch ein bisschen lösen, in dem zum Beispiel ein Moderator da ist und der Redakteur, der dann speziell die Fragen beantwortet. Also wenn es um das spezielle Knowhow eines vielleicht nicht so rampensauverdächtigen Redakteur geht“. Sie betont zudem, dass sich das Berufsbild und das damit einhergehende Anforderungsprofil an Journalisten einem Wandel unterzieht und dass nicht jeder der guten Inhalte produzieren kann, gleichzeitig ein Showstar sei. Es gebe nun einmal “eine ganze Palette an Leuten”.

Doch welchen Mehrwert bieten solche Veranstaltungen dem Fachpublikum auch im Hinblick auf die Ticketpreise? Strnad sagt dazu: „Warum bezahlt jemand Geld, um auf solch eine Veranstaltung zu gehen? Sicherlich, um neue Informationen zu bekommen. Das ist immer noch die vorrangige Intention, warum ich dort Geld bezahle, aber Networking ist genauso interessant“. Networking ist allerdings kein nebensächlicher Aspekt. Das wird offensichtlich dadurch, dass Heise Events sogar Match-Making-Plattformen in Form von Apps anbieten, bei welchen sich die Teilnehmer, auch abseits von Kaffeepausen und Abendveranstaltungen, vernetzten können.

Ziel der Events oft noch unklar

Welches Ziel mit dem Format Event erreicht werden soll, das Ausgleichen von Auflagendefiziten oder eher pures Community-Building, stellt für Verlage ein Zwiespalt dar. Denn von diesen Größen hängt letztlich auch die Preisfindung ab. Albert erklärt ihre Strategie bezüglich der neuen Darstellungsform: „Erstmal wurde dort in vielen Verlagen einfach mal losgelegt, was ja auch grundsätzlich nichts Schlimmes ist, aber natürlich gerät dort die Wirtschaftlichkeit gerne mal aus dem Blickfeld. Wir versuchen jetzt eben viel stärker, als es in den Anfängen der Fall war war, zu messen, welche Themen ziehen. Wie viele Kunden kamen? Was haben Sie gezahlt vielleicht? Gibt es auch Sponsoren, die man mit einbinden kann? Was kamen an Einnahmen rein? Und da auch auszusortieren und sich dann eben auf die wichtigen Dinge zu konzentrieren und eben vor allem auch die Sachen vorantreiben, die Wirtschaftlich was bringen. Denn natürlich ist Community-Building wichtig. Ich will auch nicht sagen, dass es nie eine Veranstaltung gegeben hat, die nur zum Community-Building, also zur Leserpflege, da ist. Aber ausschließlich dafür unsere Kräfte einzusetzen, würde dann wiederum zu viel Kraft in Anspruch nehmen. Deswegen liegt dort auch die Konzentration auf der Wirtschaftlichkeit“.

Allerdings wird bei der Umsetzung vom Konzept “Journalismus als Veranstaltung” auch Kritik geübt. Besonders problematisch hierbei sind Kooperationen zwischen den Medienverlagen und Lobbyorganisationen. Ein Beispiel dafür ist die „Agenda“-Konferenz des Tagesspiegel im Jahr 2014, bei welcher es Lobbyverbänden möglich war, Redezeit zu kaufen.

Wachsende Abhängigkeit der Medienhäuser

Marvin Oppong untersuchte für die Otto Brenner Stiftung diese Entwicklungstendenzen in Bezug auf die Einflussnahme von Lobbyorganisationen auf das Eventgeschäft der Verlage. Er zieht seine Schlüsse für den deutschen Journalismus: „Indem Medienhäuser immer mehr auf das Eventgeschäft setzen, machen sie sich auch zunehmend davon abhängig. Medien sollten stattdessen versuchen, mit ihrer Kernkompetenz – Journalismus – Geld zu verdienen und nicht mit Geschäften mit Lobbyverbänden. Wenn ein Medienhaus Geschäftspartner eines Interessenverbandes ist, birgt dies die Gefahr von Interessenkonflikten. Dies lässt sich nicht vereinbaren mit der notwendigen Unabhängigkeit und Objektivität von Medien. Meine Untersuchung hat ergeben, dass es Fälle gibt, in denen der Journalismus unter den Lobbypartnerschaften leidet. “

Auch Strnad betont die Wichtigkeit von Unabhängigkeit, speziell auch im Fachjournalismus. Sie sagt auch, dass dieser Aspekt von Wettbewerbern gerne mal vernachlässigt wird und erwähnt zudem, dass man fragwürdige Verbindungen zu Kunden bei Heise Events vergeblich sucht. Auf die Frage hin, wie Fach- und speziell Technikjournalismus in Zukunft relevant bleiben kann, antwortet Strnad: „Indem sie gute Redakteure haben. Ich glaube Fachjournalismus hat immer was mit Qualität zu tun. Also wenn Sie jetzt zum Beispiel unsere CT-Redaktion sehen, die größte Fachredaktion Europas, was die Anzahl die Beschäftigten Redakteure betrifft. Wir haben über 80 festangestellte Redakteure. Das finden Sie glaube ich in Deutschland nicht mehr ganz so oft, vielleicht noch bei der Bild-Zeitung“.

Parallelen zwischen Eventorganisation und Zeitungserstellung

Die hohe Qualität sei auch der Grund, warum das Magazin immer noch einen hohe Abonnentenzahlen verzeichnen kann. Die Unabhängigkeit und journalistische Qualität seien das höchste Gut von Heise und Heise Events. Events seien aus Strnads Sicht zwar nicht die Antwort auf die Zukunft des Journalismus, allerdings hält sie ihnen zugute, dass sie im Bezug auf Content-Generierung durchaus keine großen Unterschiede zur herkömmlichen redaktionellen Arbeit darstellen. Sie vergleicht die beiden Darstellungsformen und folgert: „Der Ablauf dessen, wie ich eine solche Konferenz von den Inhalten her zusammenstelle, hat auch sehr viel damit zu tun, wie ich eine Zeitung zusammenstelle. Welche guten Autoren hol ich, bei Veranstaltungen heißt es dann nicht Autoren, sondern Referenten. Letztendlich ist eine Veranstaltung ähnlich zu sehen, wie wenn ich ein Sonderheft mache, über Front-End-Entwicklung“.

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