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Sag‘, wie hältst du’s mit dem Gendern?

Gendern – wohl kaum ein die deutsche Sprache betreffendes Thema erregt die Gemüter so sehr wie Stern, Unterstrich und Co. Inmitten hitziger Diskussionen stellt sich auch für Medienschaffende die Frage, ob und wenn ja, wie, sie in ihren Beiträgen gendern sollen.

Es ist eine verzwickte Situation, vor die die deutsche Sprache uns stellt, wenn wir über Personen sprechen: Das generische Maskulinum (‚die Leser‘), also die grammatikalisch männliche Pluralform eines Wortes, steht eigentlich verallgemeinernd für alle biologischen Geschlechter. Dass die Grammatik alle Geschlechter mitmeint, bedeutet aber nicht, dass diese auch mitgedacht werden. Verschiedene psycholinguistische Studien zeigen, dass Frauen bei der Verwendung von Personenreferenzen im generischen Maskulinum gedanklich weniger einbezogen werden. Die richtige Grammatik auf dem Papier (oder Display) erzeugt also ein falsches Bild im Kopf. Und zwar ein sexistisches, nicht nur – aber eben auch – durch eine patriarchalisch geprägte Sprache geschaffen.

Mehr Geschlechtergerechtigkeit durch Gendern

Ein Lösungsansatz für dieses Problem ist das Gendern, durch das aus den Lesern je nach Variante die LeserInnen, die Leser:innen oder auch die Lesenden werden. Diese kleine Modifizierung der Sprache wird einerseits in manchen Kreisen als selbstverständlich notwendig angesehen, stößt andererseits aber auch auf großen Widerstand.

Dabei ist die Diskussion um das Gendern ist nicht neu. Seit den 70er-Jahren wird das Thema unter anderem durch die dort aufblühende feministische Linguistik vermehrt aufgegriffen. Aber auch schon in Schriften aus dem Mittelalter werden verschiedene Empfehlungen besprochen. Über die Jahrzehnte hinweg wurden immer mehr Möglichkeiten, geschlechtergerecht zu formulieren, vorgeschlagen. Doch darüber, ob man überhaupt gendern soll, hat sich die deutschsprachige Gesellschaft noch nicht geeinigt. Deswegen stehen auch Medienschaffende heute immer noch vor der Frage, wie sie mit diesem Schwachpunkt der deutschen Sprache umgehen sollen. Eine Zwickmühle, denn: Für beide Seiten gibt es valide Argumente.

Gendern – Ja oder nein?

Fürsprechende für das Konzept der gendergerechten Sprache appellieren an den Grundwert der Gerechtigkeit. Durch Gendern würden alle Geschlechter in der Sprache repräsentiert und somit sichtbar gemacht. Medien prägten die Realität und hätten deswegen auch in ihrem Sprachgebrauch eine gesellschaftliche Verantwortung. Deswegen sollten sie auch gerecht formulieren. Darüber hinaus erhöhe gendergerechte Sprache die Präzision von Texten.

Gegner kritisieren, gegenderte Sprache sei umständlich, holprig, sehe nicht gut aus und lasse Überschriften länger werden. Zudem betone sie das Geschlechtliche in der Sprache unnötigerweise. Weiterhin wird häufig angeführt, dass keine Anpassung der Sprache notwendig sei, sondern dass die gesellschaftliche Realität sich wandeln müsse. Denn dann würden auch mit dem generischen Maskulinum, bei dem es sich ja eigentlich nur um ein grammatikalisches Geschlecht handele, alle Geschlechter von Personen verbunden.

Die Qual der Wahl

Fällt die Abwägung für das Gendern aus, stellt sich da außerdem noch die Frage nach dem Wie. Denn vom Binnen-I über den Genderstern zur Genderdoppelpunkt steht eine große Vielfalt an Varianten zur Verfügung – und alle haben ihre Vor- und Nachteile. So hört sich die Nennung der weiblichen und der männlichen Form (Leserinnen und Leser) zwar gewohnter an. Sie lässt aber keinen Raum für nicht-binäre Geschlechter wie das beispielsweise bei der Gendergap (‚Leser_innen‘) der Fall ist.

Genderzeichen wie der Unterstrich oder der Doppelpunkt haben jedoch ein entscheidendes Manko: Sie sind für blinde und sehbehinderte Menschen problematisch. Denn diese verursachen Schwierigkeiten beim Vorlesen von Texten durch Computersoftware, sogenannte Screenreader, sowie bei der Sprachausgabe über Blindenschrift-Displays. Erschwerend kommt hinzu, dass es derzeit noch kein einheitliches Genderzeichen gibt. Somit kann Software nicht auf eine Variante eingestellt werden.

Der Gender-Doppelpunkt wird hier häufig als besonders inklusiv gefeiert, der Deutsche Blinden- und Sehbehindertenverband (DSBV) widerspricht dem aber: „Grund ist vermutlich die Annahme, dass der Doppelpunkt von Screenreadern standardmäßig nicht vorgelesen werde, weil er im Gegensatz zu Stern und Unterstrich kein Sonderzeichen, sondern ein Interpunktionszeichen ist. Abgesehen davon, dass dies von den Screenreadern unterschiedlich gehandhabt wird, hat der Doppelpunkt jedoch wichtige Funktionen, weshalb viele blinde und sehbehinderte Menschen ihn sich vorlesen lassen.“ Eine nicht sehende Person müsste sich also bei einem so gegenderten Text sehr oft „Doppelpunkt“ anhören.

In eigener Sache: Gendern bei Future Communication

Bei Future Communication haben wir uns deshalb nach gründlicher Abwägung dafür entschieden, ab jetzt bei unseren Texten – sofern möglich – eine von vornherein neutrale Form von Personenbezeichnungen (‚die Lesenden‘, ‚die lesende Person‘) zu wählen. Helfen können hier zum Beispiel Genderwörterbücher wie Geschickt gendern. Falls dies keine (zufriedenstellende) Option ist, folgen wir der Empfehlung des DBSV und verwenden den Genderstern. Dies sei laut Veröffentlichungen des Deutschen Rechtschreibrates die am häufigsten verwendete Kurzform und komme so dem Wunsch nach einem Konsenszeichen, auf welches Software ausgerichtet werden könne, am nächsten, so der Verband in einem Statement.

Gastautor*innen geben wir außerdem den Rat, ebenso zu formulieren. Entscheiden Sie sich in ihren Beiträgen dagegen, setzen wir aber nicht den Rotstift an, sondern belassen sie in ihrem Original. Denn auch wenn wir für uns die Entscheidung für mehr Sichtbarkeit für alle getroffen haben – aufzwingen möchten wir sie anderen nicht.

Mit dieser Gender-Regelung versuchen wir nach bestem Wissen und Gewissen, unserer Verantwortung als Medium gerecht zu werden und diskriminierungsfrei zu formulieren. Wir lernen aber auch gerne dazu. Deswegen sind wir offen für konstruktive Kritik und diskutieren gerne darüber, in welcher Form dies am besten geschehen sollte!

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