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Brain Computer Interface: Der Informationsaustausch von Gehirn und Maschine

Was sich für viele nach der Fortsetzung des Romans 1984 anhören dürfte, ist längst Realität. Zahlreiche Forschungen befassen sich mit der Mensch-Maschinen-Schnittstelle (Brain Computer Interface). Auch das Fraunhofer-Institut für Naturwissenschaftlich-Technische Trendanalysen INT setzt sich intensiv mit der Kommunikation zwischen Gehirn und Maschine auseinander. Der wissenschaftliche Mitarbeiter Dr. Carsten M. Heuer gewährt uns einen Einblick und verrät mehr über die Funktionsweise, die Möglichkeiten und die Zukunftsaussichten des BCIs.

Foto: Pixabay

Wie funktioniert die Kommunikation zwischen Gehirn und Maschine?

Dr. Heuer: Die Kommunikation von Nervenzellen untereinander erfolgt über elektrische Impulse. Diese kann man mit technischen Mitteln erfassen, analysieren und auch beeinflussen. Eine Möglichkeit, die elektrische Aktivität der Neuronen zu beobachten, ist die Elektroenzephalographie (EEG), bei der Spannungspotenziale an verschiedenen Bereichen des Kopfes gemessen und untereinander in Bezug gesetzt werden. EEG-Ableitungen können durch Computer analysiert werden, um charakteristische Aktivitätsmuster zu identifizieren, die dann beispielsweise als Eingabesignale für einen Roboterarm oder eine virtuelle Tastatur genutzt werden können.

Es gibt zwei Möglichkeiten der Anwendung. Zum einen die äußere und nicht invasive Anwendungen, bei der einem einem eine Art Badekappe mit eingenähten Elektroden auf den Kopf gesetzt wird, von denen über Kabel Signale zu einem Verstärker geführt werden. (siehe weiter oben: EEG) Außerdem gibt es den Chip, den man auf die Gehirnrinde setzt, der elektrische Reize von den Nervenzellen des motorischen Cortex des Patienten registriert und an einen Computer funkt. Gibt es grundlegende Unterschiede bei den Ergebnissen mit invasiven und nicht invasiven Anwendungen?

Dr. Heuer: Invasive Brain Computer Interfaces ermöglichen eine genauere und klarere Signalerfassung und eine höhere Auflösung der Aktivitätsmuster. Aufgrund von Abstoßungsreaktionen des Körpers (z.B. Narbenbildung) müssen die Implantate aber nach einer bestimmten Zeit (u.U. mehreren Monaten) entfernt werden bzw. verlieren ihre Funktionsfähigkeit. Nicht-invasive BCI sind anfälliger gegenüber externen Störquellen und liefern eine geringere Auflösung. Dafür sind sie „harmloser“.

Dr. Carsten M. Heuer ist ein wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fraunhofer-Institut für Naturwissenschaftlich-Technische
Trendanalysen und berichtet schon Dezember 2015 über das Brain Computer Interface. Schauen Sie sich hier den Beitrag an.

Anwendung und Zukunft in der Medizin

Vor allem in der Medizin erhofft man sich vielen Menschen mit der Schnittstelle das Leben zu erleichtern zu können. Könnten Patienten mit Krankheiten wie Depressionen, ADHS, dem Locked-In-Syndrom oder Parkinson geholfen werden?

Dr. Heuer: Das hängt davon ab. Patienten mit Locked-In-Syndrom sind maximal eingeschränkt und können daher in jedem Fall an Lebensqualität gewinnen. Im Falle von Depressionen, ADHS und Parkinson können Verbesserungen meines Erachtens weniger durch das Empfangen von neuronalen Signalen als vielmehr durch das Senden von elektrischen Impulsen ausgelöst werden. Hier bewegen wir uns momentan eher im Feld der transkraniellen Stimulation (elektrisch/magnetisch), da bidirektionalen BCI, die neben der Interpretation von Gedanken auch zu deren Beeinflussung eingesetzt werden können, bislang noch eher geringe Bedeutung zukommt.

Trotz bahnbrechender Fortschritte steht die Forschung am Anfang der Reise des BCIs. Wo treten Probleme auf, die in Zukunft überwunden werden müssen?

Dr. Heuer: Die wesentlichen technologischen Probleme liegen in der Verbesserung der Signalerfassung und in der Optimierung der maschinellen Signalauswertung (Klassifikationsalgorithmen, selbstlernende Systeme usw.).

Wo liegen die Vor- und Nachteile des Brain Computer Interface?

Dr. Heuer: Einfache Antwort: Momentan bieten BCI gesunden Menschen keinerlei Vorteile. Klassische Eingabegeräte (Lenkrad, Pedal, Maus, Tastatur, Touchscreens; auch Sprachsteuerung) sind BCI deutlich überlegen. Für Menschen mit starken körperlichen Einschränkungen, die weder die klassischen Eingabegeräte noch speziellere Schnittstellen (Eye-Tracker, Kopf-Maus, Zungen-Joystick) nutzen können, können BCI aber schon heute ein „Game Changer“ sein.

Die invasive Methode bedeutet einen enormen Eingriff und sich einen Chip ins Gehirn pflanzen zu lassen wirkt für viele noch absurd und angsteinflößend. Ist es ethisch denn überhaupt vertretbar einen Chip ins Gehirn zu implantieren?

Dr. Heuer: Eine schwierige Frage, die im Zuge des technologischen Fortschritts sicherlich diskutiert werden wird bzw. muss (bspw. durch den Deutschen Ethikrat). Wenn es darum geht, eine starke körperliche Behinderung zu überwinden, kann ich persönlich hier keine ethischen Bedenken erkennen. Geht es hingegen um die Implantation eines Chips zur Erhöhung der Leistungsfähigkeit eines gesunden Menschen, mag das Urteil unter Umständen schwieriger zu fällen sein.

Wie ist der aktuelle Stand der Forschung?

Dr. Heuer: Man arbeitet an den oben genannten technischen Problemen. Auch wenn es bereits Demonstratoren und einzelne kommerzielle BCI gibt, ist der technologische Reifegrad noch niedrig.

Wie sind die Fortschritte in der Vergangenheit gewesen? Geht es schnell voran oder gestaltet sich die Forschung und Entwicklung eher als schwierig?

Dr. Heuer: Die Entwicklung verlief bislang eher graduell und kontinuierlich, statt in großen Sprüngen. Die Miniaturisierung technischer Komponenten und die Fortschritte im Bereich des Maschinellen Lernens haben die Entwicklung in den letzten Jahren aber beschleunigt.

Gefahren und Zukunftsaussichten des Brain Computer Interface

Denken Sie, dass sich das Brain Computer Interface zukünftig etabliert und im Alltag angewandt werden wird?

Dr. Heuer: Eher nicht. Zumindest was die nächsten 20 bis 30 Jahre angeht.

Wo liegen die Gefahren des Brain Computer Interface?

Dr. Heuer: Invasive BCI: Operationen am offenen Gehirn bergen offensichtlich immer Gefahren. Nicht-Invasive BCI: Direkte Gefahren sind nicht erkennbar, sofern wir hier von einem unidirektionalen BCI reden, also einem Gerät, das die Hirnaktivität ableiten, aber nicht aktiv beeinflussen kann. Zumal wahres „Gedankenlesen“ („Oh, da ist Frau Meier, die dumme Kuh“) damit nicht möglich sein wird.

Ist man vor einer Fremdsteuerung und Hackerangriffen geschützt, falls man die invasive Methode benutzt?

Dr. Heuer: Hier ist es wiederum notwendig, zwischen invasiven und nicht-invasiven sowie zwischen uni- und bidirektionalen BCI zu unterscheiden. Die Antwort ist spekulativ, aber die Gefahr einer Fremdsteuerung würde ich als gering einschätzen. Dennoch kann man sich, insbesondere bei implantierten BCI, bösartige Angriffe vorstellen (sei es nur eine elektrische Überladung o.ä., die zu geistigen oder körperlichen Beeinträchtigungen führt).

Wird eine mind to mind communication möglich sein?

Dr. Heuer: Das ist denkbar.

Wie stellen Sie sich die Zukunft mit Brain Computer Interfaces in der Anwendung vor?

Dr. Heuer: Therapeutische Anwendungen stehen im Vordergrund und markieren die wesentlichen Entwicklungstreiber. Verschiedene Zweige der Unterhaltungsindustrie (z.B. der Gaming-Sektor) kommen als zivile „Early Adopter“ infrage. Auch eine frühzeitige militärische Nutzung scheint möglich. In anderen Bereichen prägen sich alternative Technologielösungen zur Maschinensteuerung heraus, beispielsweise selbstfahrende Autos.

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