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Eine Schraube, die mitdenkt

Auf der langen Nacht der Wissenschaften hat das Fraunhofer- Institut für integrierte Schaltungen IIS eine neue Technologie in Erlangen vorgestellt: eine Schraube, die mitdenkt. Sie gibt Bescheid, wenn sie locker oder schief sitzt. Mit Strom versorgt sie sich auch selbst. Doch wie funktioniert so eine “Intelligente Schraubverbindung”?

Wie kam es zu der Schraube, die mitdenkt?

Die “Intelligente Schraubverbindung” ist ein Verbundprojekt des Fraunhofer Cluster of Excellence Cognitive Internet Techologies CCIT. Es arbeiten vier Fraunhofer-Institute, unter der Projektleitung des Fraunhofer IIS an dem Projekt. Die Idee kam einem Ingenieur, der von Schrauben hörte, die in Kombination mit einem Sensor, die Temperatur an einem Rohr messen kann. „Der Kollege hat sich dann gedacht, dass man die Energie aus der durch die hohe Temperatur des Rohres erwärmte Schraube zu Nutze machen und diese Energie zur Übertragung der Messdaten einsetzen kann. Das Prinzip dahinter heißt Energy Harvesting. Außerdem erinnerte er sich an eine Kollegin eines anderen Fraunhofer-Institutes, die seine Sensorschicht für Unterlegscheiben zur Bestimmung der Vorspannkraft von Schraubverbindungen entwickelt hat”, sagt Moritz Protzner vom Fraunhofer IIS.

So entstand die Idee für die Schraube, die mitdenkt. Die “Intelligente Schraubverbindung” misst also die Vorspannkraft einer Schraubverbindung, das heißt wie locker oder fest die Schraube sitzt, und übermittelt die Daten energieautark und drahtlos an eine Cloud.

Moritz Protzner ist am Fraunhofer IIS in Nürnberg zuständig für Marketing und Kommunikation im Forschungsbereich Lokalisierung und Vernetzung.

Bild: Fraunhofer IIS

Energieversorgung der “Intelligenten Schraubverbindung”

Um die “Intelligente Schraubverbindung” mit Strom zu versorgen, gibt es verschiedene Möglichkeiten. „Zum einen die Batterie“, erklärt Protzner. Das System funktioniert aber auch energieautark. Das ist von Vorteil, da man die Batterien nicht wechseln muss. Die Schraube versorgt sich also selbst mit Strom. Beispielweise kann Solarenergie genutzt werden. Hierbei befinden sich kleine Solarpaneele oben am Kopf der Schraube. Das funktioniert sowohl Outdoor als auch Indoor mit weniger Lichteinstrahlung, wobei mehr Licht natürlich stets auch für mehr Energie sorgt und damit zu einer höheren Übertragungsrate bringt. „Das System hat auch einen kleinen Energiespeicher, sodass auch nachts ausreichend Energie zur Verfügung steht“, erklärt Protzner.

Die andere Variante ist die thermoelektrische Energieversorgung. Hier wird der Temperaturunterschied zwischen der Schraube und der Umgebung genutzt. So wird die thermische Energie in elektrische umgewandelt. Die autarke Energieversorgung macht die Schraube außerdem ressourcenschonend und umweltfreundlich.

Am Fraunhofer IIS in Erlangen wurde die “Intelligente Schraubverbindung” vorgestellt. Im Glaskasten befindet sich die batteriebetriebene Version in Verwendung. Hierbei wird die Vorspannkraft der Schraubverbindung gemessen. Die Daten werden auf das Tablet übertragen. Die Version mit Solarpaneelen steht im Glaskasten daneben.

Bild: Marie Spies

Das Funksystem mioty®

Die Informationen, die die Schraube sammelt, müssen natürlich auch übertragen werden. Das funktioniert über das Funksystem mioty®. Mioty® ist ein Low-Power-Wide-Area-Network (LPWAN) System. Das bedeutet, es braucht wenig Energie und hat gleichzeitig eine hohe Reichweite. So können Sensordaten bis zu 15 Kilometer weit übertragen werden.

Das Besondere an dem System ist das sogenannte Telegram-Splitting Verfahren. Das ist ein Prozess, bei dem eine Nachricht in einzelne, kleinere Teilpakete aufgeteilt wird. „Diese Teilpakete werden frequenz- und zeitversetzt versendet. Dank dieses Verfahrens sind die Daten gegen Störungen geschützt. Es reicht unter anderem, wenn nur die Hälfte der Datenpakete ankommen, um die komplette Nachricht zu rekonstruieren“, so Protzner. Gerade in schwierigen Umgebungen, wie dem innerstädtischen Bereich ist mioty® besser geeignet als andere Übertragungsstandards. Weil das System sehr energiesparend ist, können nur kleinere Nachrichtenpakete versendet werden. Für Bilder oder Videos reicht die Kapazität nicht aus.

Wie und wo kann man “Intelligente Schraubverbindung” anwenden?

Die “Intelligente Schraubverbindung” kann prinzipiell überall angewandt werden, wo es Schrauben gibt. Derzeit ist sie in der Größe M18 verfügbar, ab Herbst dieses Jahres wird es das System aber auch in den Schraubengrößen M20 und M36 geben. Besonders nützlich ist die “Intelligente Schraubverbindung” an schwer zu wartenden Stellen. Beispielsweise an Offshore-Windenkraftanlagen. „Hier können sich Schrauben durch Wettereinflüsse wie Temperaturschwankungen oder Stürme lockern und die Instandhaltung sowie Wartung ist um ein Vielfaches aufwendiger als an Land“, erklärt Protzner. Der Einsatz der “Intelligenten Schraubverbindung” kann die aufwendige Wartung und potenzielle Reparaturen reduzieren. Das spart Zeit und Geld und ist auch noch ressourcenschonend.

Wie geht es weiter mit der Schraube, die mitdenkt?

Aktuell gibt es erst eine Anwendungsinstallation am Standort des Fraunhofer IIS Nürnberg. Im Laufe des Jahres soll das anders aussehen. Die Forscher*innen von Fraunhofer haben aktuell Evaluations-Kits, die sie potenziellen Anwender*innen zur Verfügung stellen. Diese testen die Schrauben geben entsprechend ihrer jeweiligen Anwendung Feedback mit möglichen Verbesserungsvorschlägen für die Weiterentwicklung des Systems. Parallel sucht sich das Forscher*innen-Team Lizenznehmer, damit die Schraube produziert wird und so ihren Weg in den Markt findet.

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