23. September 2025
Women Entrepreneurs in Science: Mit Entschlossenheit und Mentoring gegen die Männerdomäne in der Gründungsszene
Women Entrepreneurs in Science (WES) ist ein NRW-weites Hochschul-Netzwerk der Bergischen Universität Wuppertal für Gründerinnen und gründungsinteressierte Frauen. Es verbindet Hochschulen über ein Netzwerk, teilt Best Practices und bietet Workshops sowie Events an, um Gründung als Karriereoption sichtbarer zu machen.

Hannah Jensen ist Projektmitarbeiterin bei Women Entrepreneurs in Science. Als Absolventin im Bereich Management und Marketing sowie als ehemalige Gründerin kann sie von Gründungserfahrungen bei ihrer Arbeit bei WES profitieren.
Was macht ihr bei WES und wie seid ihr organisiert?
Ich arbeite im Projekt Women Entrepreneurs in Science (WES), das an der Uni Wuppertal angesiedelt ist, aber NRW-weit agiert. Wir haben ein Netzwerk mit Hochschulen aus ganz NRW aufgebaut, treffen uns regelmäßig zum Austausch von Best Practices und teilen unsere Erkenntnisse aus dem Projekt. Neben dem Wissenstransfer bieten wir auch Workshops und Events speziell für Studentinnen und Hochschulmitarbeiterinnen an. Unser Ziel ist es, Gründung als Karriereoption sichtbarer zu machen, da viele Frauen das Thema oft nicht auf dem Schirm haben. Das Projekt läuft seit vier Jahren, und wir passen unsere Angebote regelmäßig an die Bedürfnisse der Frauen an.
Welche Herausforderungen seht ihr für Frauen in der Gründung und Forschung? Warum gibt es euch?
Im Wesentlichen sehen wir vor allem zwei strukturelle Probleme. Die größte Hürde ist das Fehlen von nahbaren weiblichen Vorbildern. Das klingt relativ einfach zu lösen, ist es aber nicht. Viele Studentinnen oder Hochschulmitarbeiterinnen kennen keine Gründerinnen oder Unternehmerinnen und können sich daher schwer mit dieser Rolle identifizieren. Deswegen wollen wir diese präsent machen, zum Beispiel über eine Imagekampagne, wo wir regelmäßig Gründerinnen vorstellen und zeigen, dass es eine Karriereoption sein kann und damit einfach die Identifikation stärken.
Außerdem sind Netzwerke in der Gründungsszene oft männlich dominiert. Das resultiert auch aus den fehlenden weiblichen Vorbildern. Wir haben immer noch einen deutlich höheren Anteil von Gründern und Investoren und das prägt natürlich auch diese ganze Szene. Das heißt, auf verschiedenen Netzwerkveranstaltungen hat man eine sehr männlich dominierte Gruppe und dadurch fehlen für viele angehende Gründerinnen die Zugänge. Denn diese Netzwerke bieten den Zugang zu Kapital und auch den Zugang zu potenziellen Kund*innen oder Unterstützer*innen. Diese strukturellen Barrieren machen es für Frauen deutlich schwerer, Fuß zu fassen.
Warum ist die Gründungsszene eurer Meinung nach so männerdominiert?
Das liegt an gesellschaftlich geprägten Strukturen wie dem Gender Bias und dem Androzentrismus. Medien prägen das Bild von Gründer*innen, etwa durch Vorbilder wie Marc Zuckerberg oder Ähnliche, was stereotype Vorstellungen einer Gründungspersönlichkeit verstärkt. Studien zeigen, dass viele als „typisch“ geltende Gründungsmerkmale männlich konnotiert sind. Zudem investieren männliche Investoren oft lieber in männliche Gründer, was die Ungleichheit weiter verstärkt. Da Frauen derzeit auch bei den Investor*innen unterrepräsentiert sind, schließt sich diese Lücke nur schwer.
Welche Maßnahmen oder Angebote bietet ihr an?
Ein wichtiges Angebot ist unser Mentorinnenprogramm. Hier begleiten Gründerinnen, die selbst vor wenigen Jahren gestartet sind, angehende Gründerinnen über mehrere Monate. Sie helfen mit ihrem Wissen, stehen für Fragen bereit und öffnen ihre Netzwerke. Wir merken, dass ja genau dieses Mentorinnenprogramm, diese strukturellen Barrieren lösen kann, denn in diesem Moment fungiert die Mentorin als nahbares Vorbild und kann einfach mal Fragen aus der Rolle der Gründerin beantworten.
Ein weiteres Angebot ist der jährliche Gründerinnen Summit . Er sensibilisiert nicht nur Frauen, sondern auch Gründungsberater*innen und Investor*innen für die strukturellen Barrieren. Uns ist es wichtig, aufzuzeigen, dass das Problem nicht die Frauen sind. Manchmal haben wir das Gefühl, dass Angebote sehr zentriert darauf sind, dass die Frauen lernen, mit dem Problem umzugehen. Also wenn ich zum Beispiel beim Pitchen eine andere Frage gestellt bekomme als meine männlichen Kollegen oder Gründer, dann wird häufig gelehrt, wie ich als Frau damit umgehen kann. Aber eigentlich ist das Problem auf der anderen Seite, nämlich bei der Jury, die unterschiedliche Fragen stellt an Männer und Frauen. Und da wollen wir eher ansetzen.
Wie messt ihr die Wirksamkeit eurer Maßnahmen? Forscht ihr auch?
Wir evaluieren nach jeder Veranstaltung, jedem Workshop und auch nach dem Mentorinnenprogramm. Die Teilnehmerinnen geben an, wo sie stehen, was sie erwarten und wie sie das Angebot bewerten. Langfristig wollen wir besser erfassen, wie unsere Maßnahmen die Gründungsverläufe beeinflussen. Da wir erst vor zwei Jahren damit begonnen haben, fehlen uns noch ausreichend Daten für eine umfassende Bewertung.
Wie seid ihr finanziert?
Wir werden über die Exzellenz Start-up Center NRW-Initiative des Landes NRW finanziert. Allerdings läuft die Förderung Ende Februar aus, und wir suchen aktuell nach neuen Finanzierungsmöglichkeiten.
Müsst ihr euch aufgrund der politischen Lage Sorgen machen, ob ihr weiter finanziert werdet?
Ja, das hängt stark von politischen Entscheidungen ab. Wenn das Thema Female Entrepreneurship in den Hintergrund rückt, wird es schwierig. Es ist für uns ein sehr dolles bangen, wie es weitergeht und welche potenziellen Förderrichtlinien veröffentlicht werden oder wo man noch eine Finanzierung finden kann. Unser Ziel ist es, unsere Angebote langfristig zu verankern und irgendwann unabhängig von Fördergeldern weiterzuführen. Dafür brauchen wir allerdings zunächst eine stabile Grundlage
Habt ihr euch ein bestimmtes Land als Vorbild genommen, oder gibt es Länder, die es besonders gut machen?
Wir haben uns eher einzelne Maßnahmen herausgepickt, die wir als besonders effektiv empfunden haben, und diese adaptiert. Länder, die uns positiv aufgefallen sind, sind vor allem die Schweiz, Österreich und Dänemark. Von meinen Kolleg*innen weiß ich, dass sie begeistert waren, wie viel in diesen Ländern für das Thema getan wird und wie präsent es dort ist. Bei uns müssen wir nach wie vor stärker darauf aufmerksam machen, obwohl sich in den letzten vier Jahren einiges verbessert hat. Wir haben dazu auch Reports erstellt.
Gibt es Bestrebungen, mit diesen Ländern oder ihren Netzwerken zusammenzuarbeiten?
Ja, wir versuchen, den Kontakt zu Institutionen aus anderen Ländern zu halten, die wir bei unseren Recherchen kennengelernt haben. Gemeinsame Angebote oder ein stärkerer Austausch über die Landesgrenzen hinaus könnten uns helfen, mehr Reichweite und Aufmerksamkeit für das Thema zu schaffen.
Was muss politisch passieren, um die Situation zu verbessern?
Women Entrepreneurship muss nachhaltig gefördert werden, etwa durch übergeordnete Initiativen oder mehr Kapazitäten an Hochschulen. Die aktuellen Strukturen lassen oft wenig Raum, sich gezielt diesem Thema zu widmen, da die Ressourcen begrenzt sind. Das muss sich ändern.
Was würdest du einer jungen Frau raten, die gründen oder in die Wissenschaft gehen möchte, aber nicht weiß, wie?
Ich würde ihr raten, sich an die Gründungsberatung ihrer Hochschule oder an Netzwerke wie uns oder die bundesweite gründerinnenagentur (bga) zu wenden. Dort bekommt sie Zugang zu wichtigen Kontakten und Netzwerken, ohne alles allein suchen zu müssen. So bekommt sie direkt mit, welche Netzwerke es gibt und wie die jeweiligen Kontakte und Zugänge hergestellt werden. Das erleichtert den Einstieg enorm.