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“Daten sind nicht immer wirklich sexy!”

Datenjournalismus hat die unterschiedlichsten Facetten und gewinnt schon durch die stetig zunehmenden Datenmengen an Bedeutung. Daten können die Redakteure einerseits bei der Arbeit unterstützen, andererseits dienen sie auch als Rechercheplattform.

Frei zugängliche Patientendaten im Netz, die Zulassung von Pestiziden wie Glyphosat oder der – später unter dem Namen „Dieselgate“ bekanntgewordene – Abgasskandal. Drei Beispiele, wie investigative Recherche verbunden mit datenbasiertem Journalismus für Furore sorgte. „Es gibt Themen, die erfordern viel Fleiß und auch einige durchzechte Nächte“, erzählt Lisa Wreschniok, bezugnehmend auf die Recherchen im Vorfeld der Veröffentlichungen. Für den bayerischen Rundfunk agiert die Journalistin im Team BR Recherche / Data, mit Schwerpunkten in den Bereichen Wissenschaft, Soziales und Wirtschaftskriminalität.

Investigativjournalistin Lisa Wreschniok vom Bayerischen Rundfunk. Foto: Tim Neiertz

Durch die Schwerpunkte können sich die einzelnen Redakteure leichter in Themen finden, aber letztendlich müssen sie trotzdem flexibel sein. „Der Journalist wird ohnehin gerne als eierlegende Wollmilchsau gesehen. Filmen, Schneiden, Schreiben, Recherchieren, Online, Rundfunk, Fernsehen und Podcast. Da ist es zu ein bisschen Programmieren auch nicht mehr weit“, scherzt Wreschniok. Ein Spaß mit ernstem Hintergrund. Ihr Kollege Steffen Kühne bildet im Team eine Art Schnittstelle und sieht sich selbst als „Kombination von Nerd und Journalist.“

Sicherheit trifft kritischen Journalismus

Auch trotz der gesetzten Schwerpunkte der einzelnen Redakteure meint Kühne: „Datenjournalismus ist keine Ressortarbeit.“ Neben der Recherche in teils kriminellen und sehr verstrickten Netzwerken kommen oftmals auch unkooperative Behörden ins Spiel. Ohne Whistleblower und Insider geht es im investigativen Journalismus oft nicht. Außerdem sei es immer wichtig die Hintergründe des jeweiligen Informanten zu hinterfragen. Denn vor einen Karren spannen lassen möchte sich niemand. Auch technophob dürfen die Journalisten keineswegs sein. Brisante Daten beispielsweise werden nur über verschlüsselte Kryptosticks übertragen, Recherchen im Darknet erfolgen über Tor Browser und spezielle Tools helfen beim einfachen durchsuchen gigantischer Datenmengen. „Falls das alles nicht hilft müssen wir eben auch mal einen Code selbst schreiben“, erklärt Kühne.

Steffen Kühne vom BR bezeichnet sich als Kombination von “Nerd und Journalist.” Foto: Tim Neiertz

Eine weitere Facette des Datenjournalismus bilden Listening Center, wie das der Rheinischen Post. Die erfassten Daten dienen hier aber nicht als Quelle, sondern als Rechercheansatz. Ein erfasstes Grundrauschen in den sozialen Medien, teilweise ein einzelner Post, wird erfasst und für die Redakteure aufbereitet. Hannah Monderkamp, stellvertretende Leiterin der redaktionellen Digitalstrategie bei der Rheinischen Post, möchte „die Arbeit des einzelnen Journalisten vereinfachen. Je nach Ressort oder Interessen werden die einzelnen Reports erzeugt.“ Der Redakteur kann sich in den extra für ihn aufbereiteten Informationen frei bedienen und findet so möglicherweise auch andere Ansätze.

Redakteure müssen raus aus ihren Filterblasen!

Hannah Monderkamp, Rheinische Post
Hannah Monderkamp will mit der Rheinischen Post neue Wege des Journalismus gehen. Foto: Tim Neiertz

So soll umgangen werden, dass Redakteure in ihrem eigenen Kosmos einen zu sehr fokussierten Blick erzeugen. Allerdings wird niemandem etwas aufgezwungen, sondern nur eine Art unverbindliches Angebot unterbreitet. Die Journalisten entscheiden dann selbst, wie sie die Daten und Informationen gewichten und in ihre Arbeit einbinden.

Das Listening Center der Rheinischen Post sowie die Arbeit der BR Recherche / Data nutzen Daten in erster Linie dazu die Redakteure zu unterstützen. Wichtig ist ihren Schaffern vor allem die Unterstützung in der täglichen Arbeit in den Redaktionen, sowie die Erhaltung des journalistischen Handwerks. „Journalismus muss sich wieder zu seinen ursprünglichen Tugenden bekennen und wieder regulativ und kritisch sein“, fordert Investigativjournalistin Wreschniok.