Fernsehstudio Ohm, Fotocredits: Elisabeth Hüttinger
10. November 2025
Zwischen Umbruch und Renaissance – Podcast-Reihe zum Wandel der B2B-Kommmunikation
„Wie KI die Kommunikation umwälzt“, „Intelligente Unternehmenskommunikation dank KI“ oder „KI und RCS mischen die Business-Kommunikation auf“, das sind aktuelle Schlagzeilen rund um die Unternehmenskommunikation. Der Druck, sich angesichts von KI, Algorithmen und LLMs wandeln zu müssen, der prägt die Diskussionen. Davon sind PR-Abteilungen, Agenturen und auch Fachverlage gleichermaßen betroffen. Aber, was verändert sich gerade? Was kommt noch? Und vor allem: Wie reagieren die Kommunikateure in den Redaktionen und Abteilungen bereits jetzt auf die neuen Rahmenbedingungen? Das sind die Fragen, die eine Podcast-Reihe des Studiengangs Technikjournalismus / Technik-PR vor und im Rahmen der Messe SPS Smart Production Solutions 2025 beantworten will. Die Podcast-Reihe mit Gästen zum Beispiel von Siemens, Pelemedia oder Mesago wird über den Spotify-Kanal des Studiengangs zu hören sein. Der Live-Stream im Rahmen der SPS-Messe vom 25. bis 27.11.2025 kann über Studio Ohm verfolgt werden. Also, was ändert sich in der B2B-Kommunikation gerade?
Nürnberg. November 2025. Wie disruptiv Künstliche Intelligenz gerade auf die Kommunikation wirkt und vor allem wie schnell die Entwicklungen voranschreiten, lässt sich an der eigenen Informationsbeschaffung beobachten. Es ist etwas über 20 Jahre her, dass die Duden-Redaktion den Begriff „googeln“ in der 23. Auflage des Wörterbuchs erstmals aufgenommen hatte. Dies war eine Reaktion darauf, dass es für die Mehrheit selbstverständlich war, sich Informationen über die Suchmaschine Google zu beschaffen und sich durch die angebotene Trefferliste von Websites zu klicken, mal mehr mal weniger tief. Für Informationsanbieter, ob Medien, Influencer oder Unternehmen, begann der Kampf um die Platzierung in dieser Trefferliste. Die eigenen Informationsangebote mussten für die Algorithmen der Suchmaschinen optimal gestaltet werden. Die Disziplin SEO, Search Engine Optimization, war entstanden. Nur das erscheint fast als Schnee von gestern.
Aus SEO wird GAIO
Mittlerweile erscheinen als erste Ansicht nach Suchanfragen Zusammenfassungen, die von KI-Agenten erstellt werden. Und leider: Viele der Informationssuchenden reicht diese Zusammenfassung aus und sie gehen nicht weiter in Quellen oder die klassische Trefferliste. Die KI-Agenten erstellen ihre Zusammenfassung nach einem eigenen Muster. SEO wird nicht sofort verschwinden, aber es kommt eine neue Anforderung auf Informationsanbieter zu: GAIO. GAIO steht für Generative AI Optimization und bezeichnet einen strategischen Ansatz, um Inhalte auf eigenen Quellen, sogenannten Owned Media, so zu gestalten, dass sie in Antworten von LLMs, also großen Sprachmodellen wie ChatGPT, Gemini, Claude oder Perplexity, generell sichtbar und vor allem im eigenen Sinne korrekt wiedergegeben werden. So beschreibt die Arbeitsgemeinschaft ComTech in Ihrem Whitepaper zu GAIO die Anforderung. Die KI-generierte Zusammenfassungen in der Google-Suche honoriere sowohl die bekannte Keyword-Optimierung mit semantic clarity, structured insights, reputational weight, aber die Inhalte der sogenannten Owned Media, müssten KI-lesbar sein.

Owned und Earned Media
LLMs orientieren sich an vertrauenswürdigen Quellen, um die beschriebenen Zusammenfassungen zu generieren. Das sind laut Erhebungen Reddit, Youtube oder Social-Media-Kanäle, aber eben auch Blog-Beiträge, Homepages und Nachrichtenportale. Alles Quellen, die frei zugänglich sind. Das bedeutet, dass es für Unternehmen wichtig wird, sowohl die eigenen Kanäle wie Homepage, den Firmen-Podcast oder die eigenen Blog-Seiten zu pflegen, als auch wieder mehr Aufmerksamkeit den Earned und Paid Media zu widmen. Viralität, das „Geteiltwerden“ und das „Kommentiertwerden“ in Netzwerken wie LinkedIn sowie die Berichterstattung auf Nachrichtenportalen ist wichtig. Gerade im Feld der B2B-Kommunikation rückt vielleicht deshalb wieder eine Gattung ins Licht, die in den letzten Jahren immer wieder totgesagt wurde: Fachmedien.
Renaissance der Fachmedien
Jenseits der B2C-Kommunikation und den allgemeinen Nachrichten sind Fachmedien für Unternehmen ein wertvoller Kanal für die Ansprache von Kunden und Interessenten. In diesem Segment existieren zahlreiche unterschiedliche Ausprägungen. Vom klassischen Nachrichtenjournalismus rund um Technologien und Lösungen über Formen, die als kuratierter Journalismus neben eigenen Artikeln zahlreiche Experten- und Autorenartikel veröffentlichen bis hin zu redaktionellen Podcasts. Branchenzentrierte Fachmedien, wie Titel der Automatisierungs- oder Elektrotechnik, haben seit Jahren damit zu kämpfen, dass das auf Printanzeigen beruhenden Geschäftsmodell unter Druck geraten ist. Nicht zuletzt deshalb, weil in digitalen Zeiten Reichweiten online sehr genau ausgewertet werden können und viele PR-Abteilungen den Nutzen von Fachmedien infrage stellten.
Dabei haben diese Medien gerade bei Jungingenieurinnen und Jungingenieuren noch ihre Berechtigung, wie eine Forschungsarbeit am Studiengang Technikjournalismus/Technik-PR an der Technischen Hochschule Nürnberg herausgefunden hat. Damit Fachmedien sowohl für die Nutzer aber auch für die PR-Abteilungen ihre Renaissance erleben können müssen sie drei Dinge umsetzen. Einerseits: neben den kuratierenden Journalismus muss klassischer und konstruktiver Journalismus treten. Das setzt als zweiten Punkt voraus, dass Fachmedien auch mehr in Social-Media-Kanälen sichtbar werden und das nicht mit klassischem Marketing-Content, der nur Artikel im eigenen Medium ankündigt, sondern mit Diskussionsbeiträgen, das hauptmedium ergänzendem Content. Und drittens: die Inhalte müssen vor einer Paywall stehen, sonst sind sie für LLMs nicht nutzbar. Das sind Herausforderungen, die gerade mit Blick auf die Refinanzierung.

Bild: Elisabeth Hüttinger
Neue Rollen für Unternehmenskommunikation und Fachjournalismus
Sowohl Fachmedien als auch PR-Abteilungen in B2B-Branchen müssen sich mit den KI-Welten und den vielleicht für sie neuen auseinandersetzen. Die Arbeit auf beiden Seiten wird sich durch LLMs, durch KI-Tools verändern. Media Relations wird für die Unternehmenskommunikation wieder wichtiger. Die Pflege der eigenen Inhalte und der eigenen Kanäle sowie das Monitoring der Reputation sind ebenso zentral. Fachmedien müssen sich der Herausforderung stellten und neben das Kuratieren von Experten- und Autorenbeiträgen auch die eigene Expertise stellen, die sich in eigener Recherche, Bewertung und Einordnung von Entwicklungen ausdrückt.
Beide dürfen aber einer Versuchung nicht erliegen, nämlich KI ausschließlich zur vermeintlichen eigenen Effizienzsteigerung einzusetzen und darüber das zu vergessen, was nutzerrelevanter Content ist und dies nicht mit dem Bereitstellen von reiner Information zu verwechseln. Redaktionen und PR-Abteilungen müssen den Spagat zwischen sinnvollem KI-Einsatz für den eigenen Workflow und der Versuchung aus Kostengründen möglichst alles zu automatisieren bewältigen.
Googeln – Dynamiken lassen sich schwer aufhalten
Sicher ist, KI, LLMs und Agenten verändern das Rezipientenverhalten und damit zwangsläufig die Arbeitsweisen von Fachredaktionen und in der Unternehmenskommunikation. Diese Aufgabe müssen beide Seiten annehmen und sich anpassen. Der Konzern Google hatte sich übrigens kurz nachdem der Eintrag in den Duden erfolgt war dagegen gewehrt und versucht, die Beschreibung ändern zu lassen. Es war unbestreitbar, dass „googeln“ als Begriff für „im Internet nach Informationen suchen“ den Status eines Deonyms erreicht hatte. Ähnlich wie „Tempo“ als Sammelbegriff für Papiertaschentücher oder der „Fön“, ein Produkt von AEG, zum Inbegriff für Haartrockner verwendet werden. Nur: Google fürchtete durch die umgangssprachliche Verwendung und durch die Festschreibung im Wörterbuch in Kleinschreibung „googeln“ um die Rechte an seiner Trademark „Google“.
Versuche, solche dynamischen Entwicklungen aufhalten zu wollen, sind aber eher aussichtslos. Und mittlerweile ohnehin obsolet, denn Ende Oktober hat die KI-Entwicklung eine weitere Stufe erklommen. Atlas von OpenAI und Comet von Perplexity machen Google und seinem Browser Konkurrenz. Was der Standard aus Wien als „frischen Wind“ bezeichnet, ist für die Wirtschaftswoche „die gefährlichste Konkurrenz, die Google je hatte“. Wie lange sich dann das Deonym „googeln“ halten wird?
*Compliance Note: Der Autor Prof. Volker Banholzer ist selbst Mitglied der AG ComTech und hat das benannte Whitepaper mitverfasst.