Kein echter Panzer – aber ein reales Gefühl. So sehen einige die Präsenz von Rüstung im Fußball. Bildquelle: OpenAI, DALL·E
10. Dezember 2025
Kommunikation im Schatten der Waffen – Warum Rüstungsunternehmen zur Zielscheibe werden und wie sie trotzdem gehört werden wollen
Rüstung ist längst kein Randthema mehr – sie steht mitten in der gesellschaftlichen Debatte. Spätestens seit der Rüstungskonzern Rheinmetall als Sponsor des Fußballbundesligisten Borussia Dortmund auftrat und damit Fan-Proteste auslöste, stellt sich für Unternehmen die Frage: Wie lässt sich Engagement in der Verteidigungsindustrie kommunizieren, ohne Reputationsrisiken einzugehen? Wie können Rüstungsfirmen wie Rheinmetall, Mischkonzerne wie Airbus oder Softwarehäuser wie SAP, die für Rüstungsfirmen selbst relevant sind mit diesem Spannungsfeld umgehen? Klar wird: In Zeiten geopolitischer Unsicherheit reicht Schweigen nicht mehr – Kommunikation wird zur strategischen Verantwortung.
Wenn Panzer auf den Platz rollen
Es war ein Sponsoring, das nicht nur Trikots zierte, sondern auch Debatten befeuerte: Als der Rüstungskonzern Rheinmetall Anfang 2024 verkündete, offizieller Partner von Borussia Dortmund zu werden, prallten Welten aufeinander. Ein Fußballverein mit Millionen Fans, emotional aufgeladen, volksnah. Und ein Unternehmen, das Panzer, Munition und Verteidigungssysteme herstellt – mit all den Assoziationen von Krieg, Tod und Zerstörung.
Mathias John, Rüstungsexperte bei Amnesty International Deutschland, sieht das Sponsoring kritisch: „Damit soll eine Normalität dieser Industrie vermittelt werden, die es so einfach nicht gibt“, sagt er in einem persönlichen Interview. „Wir dürfen aber nicht vergessen, dass dort keine ‚normalen‘ Güter produziert werden, sondern tödliche Waffen und Munition.“ Inzwischen ist klar: Das Engagement war nicht nur eine PR-Maßnahme unter anderen – es wurde zur kommunikativen Nagelprobe das Unternehmen und ein Signal an alle Firmen, die sich im Spannungsfeld von Sicherheit, Verantwortung und Image bewegen.
Rüstung und Öffentlichkeit – ein schwieriges Verhältnis
Rüstungsfirmen in Deutschland bewegen sich in einer historisch belasteten Umgebung. Der Ruf, „am Krieg zu verdienen“, sitzt tief. Lange Zeit hielten sich viele Unternehmen zurück. Öffentliches Auftreten? Nur auf Fachmessen für Rüstungsgüter wie der ILA Berlin, der Defendory in Ulm oder der Enforce Tac in Nürnberg.
Doch die weltpolitische Lage hat sich verändert: Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine hat sich die sicherheitspolitische Debatte geöffnet. Rüstung wird zunehmend als notwendiger Teil demokratischer Wehrhaftigkeit gesehen – nicht nur im politischen, sondern auch im wirtschaftlichen Diskurs. Aber dieser Wandel bedeutet nicht automatisch gesellschaftliche Akzeptanz. Gerade die Kommunikation entscheidet heute darüber, wie Unternehmen wahrgenommen werden – und ob sie Vertrauen aufbauen können.
Sponsoring als Strategie oder als Ablenkung?
„Mit unserem Know-how, unseren Systemen und Komponenten, schaffen wir die Grundlage für Frieden, Freiheit und für nachhaltige Entwicklung: Sicherheit“, heißt es im persönlichen Statement eines Rheinmetall-Sprechers, der namentlich nicht genannt werden möchte. Das Unternehmen positioniert sich bewusst nicht als Kriegsgewinner, sondern als „Verteidiger von Demokratie und Menschenrechten“.
Thomas Wiegold bestätigt in einem persönlichen Interview, dass die Wahrnehmung von Rüstungsunternehmen deutlich positiver geworden ist. Auch in politischen und wirtschaftlichen Kreisen nimmt das Verständnis für diese Haltung zu. Das aktuelle Positionspapier der EU Kommission zur „European Defence Readiness 2030“ vom März 2025 beschreibt eindrücklich, wie „die hybride Bedrohungslage“ durch Sabotage, Cyberangriffe oder Spionage Europa zwingt, militärisch aufzurüsten. Das Argument: Sicherheit ist Voraussetzung für alles andere – auch für wirtschaftliche Stabilität, technische Innovation und die Durchsetzung von Menschenrechten.
Kommunikativ ergibt sich daraus ein starkes Narrativ: Nicht die Rüstungsindustrie ist das Problem, sondern ihre Abwesenheit. Wer nicht in Verteidigung und die entsprechend notwendigen Rüstungsgüter investiert, der gefährdet die Wehrhaftigkeit von Demokratien. Aus Sicht von Experten der Kommunikationsbranche ist es heute wichtiger denn je, dass die Rüstungsindustrie professionell und strategisch kommuniziert, um gesellschaftliche Akzeptanz zu sichern. Agenturen wie Fink & Fuchs unterstreichen, dass eine verständliche Kommunikation wesentlich für den Erfolg in diesem sensiblen Bereich ist.
„Mit Sponsorings wie dem von Borussia Dortmund wollen wir Rheinmetall als Marke und als attraktiven Arbeitgeber national und international bekannter machen.“ So der Sprecher von Rheinmetall. „Zudem wollen wir den Diskurs über die Bedeutung von Sicherheit und Verteidigung für unsere freiheitliche Gesellschaft befördern.“ Für Rüstungsunternehmen ist Sponsoring also mehr als Markenpflege. Es geht um Reputationamanagement. Dem widerspricht Mathias John von Amnesty International: „Sponsoring ist Teil der Kommunikationsstrategie von Unternehmen mit dem Ziel, ein positives Ansehen in der Öffentlichkeit zu schaffen und Reputationsrisiken zu vermindern. Mit ‚Verantwortungsstrategie‘ hat das wenig zu tun.“ Die Kritik: Sponsoring kaschiere, dass viele Produkte von Rüstungskonzernen nicht nur der Landesverteidigung dienen, sondern auch exportiert werden – mit teils gravierenden menschenrechtlichen Folgen. „Die neue Koalition ist jetzt offenbar auch bereit, Rüstungsexporte zu genehmigen, die zu Rechtsverletzungen beitragen können“, warnt John.
Polarisierung auf dem Platz
Das Sponsoring von Borussia Dortmund durch Rheinmetall wurde nicht nur als PR-Maßnahme verstanden – wie unter anderem in einem Interview von ZDFheute festgehalten wurde – sondern als Versuch, ein neues gesellschaftliches Bild der Rüstungsindustrie zu etablieren. Und das ist Anlass zur Kritik. Ein Sprecher des Unternehmens erklärte dazu: „Als integrierter Technologie- und Rüstungskonzern sind wir uns unserer gesellschaftlichen Verantwortung bewusst. Mit Sponsorings, wie beispielsweise dem von Borussia Dortmund wollen wir Rheinmetall als Marke und als attraktiven Arbeitgeber national und international noch bekannter machen.“ Offenbar will das Unternehmen Rheinmetall aber auch seine Position in der gesellschaftlichen Debatte wahrnehmen und als Stimme gehört werden: „Zudem wollen wir den Diskurs über die Bedeutung von Sicherheit und Verteidigung für unsere freiheitliche Gesellschaft befördern“, so der Unternehmenssprecher.
Kommunikationsanalysen von Table Media zeigen, wie solche Sponsoringdeals die öffentliche Wahrnehmung gezielt beeinflussen und sowohl Chancen als auch Risiken für Unternehmen bergen.
Zwischen Imagepflege und Verantwortung
Wie gehen rüstungsnahe Unternehmen mit dieser Spannung um? Drei Kommunikationsmuster lassen sich unterscheiden. Die folgenden Beispiele stammen aus dem Fall Borussia Dortmund (BVB) und illustrieren verschiedene Ansätze exemplarisch:
A) Das strategische Reframing
Rheinmetall bemüht sich um eine Neuinterpretation der eigenen Rolle – weg vom vorherrschenden Frame des „Waffenherstellers“ hin zum „Sicherheitsgaranten“. Auf der Rheinmetall-Homepage zur Corporate Citizenship heißt es:
„Mit unserem Know-how, unseren Systemen und Komponenten schaffen wir die unverzichtbare Grundlage für Frieden, Freiheit und für nachhaltige Entwicklung: Sicherheit.“
Diese Kommunikationsstrategie ist selbstbewusst und offensiv. Gleichzeitig wird sie kontrovers diskutiert, da Befürworter die Neuausrichtung betonen, während Kritiker Vorbehalte äußern.
B) Das ethisch-technokratische Framing
Wissenschaftliche Institutionen wie die Fraunhofer-Gesellschaft wählen einen anderen Weg. Sie betonen ihre Forschungsfreiheit, aber auch die hohen internen Standards:
„Die Fraunhofer-Gesellschaft ist sich ihrer Verantwortung im Umgang mit Forschungsfreiheit und Forschungsrisiken stets bewusst. Dafür existiert ein Exportkontroll-System, durch das Dual-Use zentral gesteuert wird.“ Stellt Monika Landgraf, die Direktorin der Unternehmenskommunikation, die allgemeine Position der Fraunhofer-Gesellschaft zum Thema Sicherheitsforschung nach persönlicher Nachfrage dar.
Fraunhofer positioniert sich nicht über Narrativ, sondern über Regelkonformität, Risikomanagement und ethische Leitlinien – eine technisch-sachliche Kommunikationsstrategie, die Kritik antizipiert, ohne emotional aufzuladen.
C) Die zivilgesellschaftliche Konfrontation
Amnesty International kritisiert vor allem die Produktionsbedingungen und ethische Verantwortung von Rüstungsfirmen. Laut Mathias John müssen Unternehmen:
„eine innerbetriebliche Exportkontrolle etablieren, diese sollten sie im Sinne menschenrechtlicher Sorgfaltspflichten auch wirksam und transparent anwenden.“
Hier stehen politische Forderungen nach Transparenz und ethischen Prüfstandards im Mittelpunkt – weniger die Unternehmenskommunikation.
Wer spricht, der gewinnt?

Bildquelle: OpenAI, DALL·E
Die Beispiele zeigen: Die Kommunikation trägt wesentlich dazu bei, ob Rüstungsakteure gesellschaftlich legitimiert werden – was allerdings für den konkreten Fall Rheinmetall erst durch weitere Untersuchungen wie Medienanalysen belegt werden müsste.
Unternehmen wie Rheinmetall verfügen über professionelle Kommunikationsabteilungen, eine hohe Reichweite und klare Botschaften. Zivilgesellschaftliche Organisationen wiederum bieten hohe Glaubwürdigkeit und moralische Autorität. Wissenschaftliche Institutionen wie Fraunhofer besitzen ebenfalls professionelle Kommunikationsabteilungen und genießen gesellschaftliche Autorität. Zugleich müssen sie sich oft auf das Einhalten von Zivilklauseln und den Erwartungen staatlicher Geldgeber sowie sicherheitspolitischer Interessen einstellen.
Ihre kommunikative Herausforderung besteht darin, Unabhängigkeit zu vermitteln, ohne naive Wirkung zu erzielen.
Der gesellschaftliche Diskurs bleibt fragmentiert: Während einige Unternehmen, etwa Rheinmetall mit seinem strategischen Reframing, offensiv Narrative setzen, treten andere leiser auf – und überlassen damit die Deutungshoheit anderen. Dieses Verhalten kann gerade in polarisierenden Zeiten, in denen Social Media Meinungen verstärkt und ethische Debatten zuspitzt, riskant sein.
Mehr zur Dual-Use-Thematik gibt es im Feature „Doppelt verantwortlich? Wie Unternehmen mit dem Dual-Use-Dilemma umgehen“.
Fazit: Verantwortung kommunizieren heißt nicht nur rechtfertigen
Das Beispiel Rheinmetall und BVB ist symptomatisch: Kommunikation über Rüstung ist keine Imagepflege – sie ist eine gesellschaftspolitische Aufgabe. Sicherheit, Verantwortung und Ethik stehen in einem Spannungsverhältnis, das nicht auflösbar ist – aber kommunizierbar.
Weder PR-Floskeln noch Schweigen reichen aus. Zwischen Rechtfertigung und Rückzug liegt ein Raum für verantwortungsvolle Kommunikation – und der beginnt mit der Entscheidung, überhaupt öffentlich zu sprechen.